Zoodirektor will er jetzt nicht mehr werden

29.2.2016, 06:00 Uhr
Zoodirektor will er jetzt nicht mehr werden

© Ralf Rödel

Es schneit, ein eisiger Wind weht über den Rathausplatz. Auf besseres Wetter zu warten, hat der Terminkalender nicht zugelassen. Also laufen Manfred Hümmer, seine Frau Lisa und Hund Colin auf dem Kopfsteinpflaster vor der Kulisse des Rathauses auf und ab. „Kein Schirm“, bittet der Fotograf.

Colin, ein Shetland Sheepdog, schnüffelt herum, gibt auf Kommando Pfote. Ein paar Klicks später darf Colin mit Frauchen Lisa — selbstständige Finanzberaterin — den Heimweg antreten. Hümmer zieht den Reißverschluss seiner Jacke wieder ganz nach oben. Es kann los gehen.

Halt. Noch nicht ganz. Die Route muss noch geklärt werden. Am Telefon war ausgemacht worden, Manfred Hümmer solle die NN zu seinen Lieblingsplätzen in der Stadt führen.

Das Rathaus. Groß, alt, ehrwürdig — das hat Manfred Hümmer schon als Kind fasziniert. Der heute 54-Jährige ist in Forchheim-Nord groß geworden. Direkt neben der Kirche Verklärung Christi. „Ich bin behütet aufgewachsen. Uns ging es gut.“ Er habe aber auch viel Armut erlebt. Demut vor dem Leben habe ihn das gelehrt.

Von Jugend an engagiert er sich, ist gern für andere da, gern mit anderen zusammen — ein Vereinsmeier im guten Sinn. Mit 16 Jahren gründet er den MC Survival, einen Motorradclub, organisiert Ausflüge. Eine 1000er Honda ist Hümmer gefahren. Das war vor zwei Jahren. Das Kapitel ist vorerst abgeschlossen, „weil sich die Unfallgefahr durch fehlende Praxis enorm erhöht“.

In 30 Vereinen ist der 54-Jährige Mitglied. Wenn er OB wird, dann will er bürgerliches Engagement unterstützen, etwa indem Fortbildungskosten übernommen werden. Bürgernähe gehört zu den Lieblingsthemen Hümmers. „Gehen Sie mal ins Rathaus hinein, wie düster, dunkel, fast schon antiquarisch es aussieht, solche Möbel hatte ich in meinem Jugendzimmer stehen.“ Hell und einladend soll das Gebäude nach der Sanierung erscheinen. Barrierefrei natürlich auch, Hümmer ist in der Offenen Behinderten Arbeit aktiv.

Faible für Kultur

Nächste Station Kaiserpfalz. Das Museum wird für Manfred Hümmers Begriffe zu stiefmütterlich behandelt. Schon wieder sei der Zuschuss gekürzt worden. „Das ist doch ein Pfund mit dem wir wuchern können.“ Ein eigenes Kulturreferat will er einrichten, das auch Ideen entwickelt, wie die Plätze belebt werden können. Er hat sich bereits Gedanken gemacht.

Wir laufen am Saltorturm vorbei. Wunderschöne Lesungen könnte man da drin abhalten, findet Manfred Hümmer. Im Moment steht der Turm leer, aus Sicherheitsgründen. „Lässt sich alles lösen — wenn man will.“ Weiter geht es zum Stadtpark. Immer wieder grüßen Passanten, Hände werden geschüttelt, es wird umarmt, „viel Glück“ gewünscht.

Der Februar ist eine fiese Zeit für einen Park. Die Rosenbeete sehen trostlos aus. Das Seniorenfitnessgerät — „nutzt doch keiner“. Ein Mann mit Hund läuft rasch zu einem der Neubauten auf dem alten Hallenbadgelände. Hümmer hätte dort städtebaulich ganz andere Akzente gesetzt. Beim Stadtpark wie in der ganzen Stadt fehlt ihm das Konzept. Ein Beach-Volleyballfeld, eine Wasserspielanlage, Open-Air-Theater, die Ideenliste für den Park ist lang. Manfred Hümmer ist jetzt in seinem Element. „Wer bitte weiß schon, was mit den fünf Toren gemeint ist?“ Er deutet auf die Skulpturenreihe von Jan Koblasa. „Warum steht da auf der Infosäule nur der Name und nicht auch ein Erklärtext?“

Fast bekommt man den Eindruck, Hümmer könne an der Stadt kein einziges gutes Haar lassen. Fast. „Forchheim hat 1000 Fehler, aber ich liebe jeden einzelnen Flecken hier“, sagt er ungefragt. Es sei ihm nie in den Sinn gekommen, anderswo zu wohnen. Im Sommer hat er französische Freunde durch die Stadt geführt, „die waren absolut begeistert und haben mich gefragt, warum ich überhaupt in den Urlaub fahre“. Er lacht. Mit ihrem Campingbus fahren die Hümmers gerne nach Frankreich.

Wir sind an der Dernbach-Bastion angekommen und damit am Anfangspunkt seiner politischen Karriere. Er ist ein Kind der Agenda 21. Daraus ging unter anderem der Verein Forchheimer Bastionsgärten hervor, den er mitgegründet hat. „Die Politik hat die Aktiven der Agenda 21 wie eine außerparlamentarische Opposition behandelt.“ Statt zu resignieren, engagierte er sich erst recht.

Die Freien Wähler werden schließlich zu seiner politischen Heimat. 2008 als sich der Freie Bürgerblock Forchheim abspaltet, die Freien Wähler vor der Zerreißprobe stehen, will er es wissen. Er kandidiert als OB. Am Ende wird Hümmer „nur“ Stadtrat. 2014 der zweite Versuch. Dass es nicht für die Stichwahl gereicht hat, wurmt ihn, war aber kein Grund, den Mut zu verlieren. Dafür ist sein Veränderungswille zu groß.

Dieses Mal ist alles professioneller. Der 54-Jährige hat viel in den virtuellen Wahlkampf investiert, um auch junge Wähler anzusprechen. „Das beste Feedback gibt mir mein Sohn.“ Florian ist vor kurzem 18 geworden. Die Berufswahl steht an.

Oberbürgermeister oder Zoo-Direktor? Als Manfred Hümmer selbst vor der Berufsentscheidung stand, waren die Kinderträume in weite Ferne gerückt. Als Streifenpolizist hat er angefangen, ist Zivilfahnder geworden, zur Kriminalpolizei gewechselt und schließlich zur Bereitschaftspolizei. Weil er sich nicht so schnell zufrieden gibt, sattelte er ein FH-Studium obendrauf. Heute arbeitet Hümmer als Polizeihauptkommissar im Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Er ist bayernweit für die Abschlussprüfungen der Beamten des mittleren Dienstes zuständig.

Von der Bastion aus zeigt Manfred Hümmer nach Forchheim-Nord. Das Wort „Glasscherbenviertel“ hört er nicht gerne. „Das passt nicht mehr“, dank Förderprogramm Soziale Stadt und ehrenamtlichem Engagement.

Spielstube Kellerwald

Die nächste Station wäre der Kellerwald. „Dort war als Kind meine Spielstube.“ Und eigentlich darf Kersbach nicht fehlen. 1992 haben er und seine Frau dort ihr Haus gebaut. Wenn es nur nicht so nasskalt wäre. Manfred Hümmer könnte noch mehr erzählen. Wie viele Legislaturperioden er brauchen würde, um alles umzusetzen? 10? 20? Er halte nichts davon, an der Macht zu lange festzuhalten. Zwei Legislaturperioden und die Entwicklung eines Masterplans sind sein Ziel. Unser Weg führt direkt ins Café zum Aufwärmen.

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