Zwangspause für den Koloss aus Rotterdam

4.1.2011, 14:15 Uhr

Gut 30 Zentimeter lang sind die Eiszapfen, die am Bug des Schiffes wachsen. Am Heck weht die niederländische Flagge, Schneeflocken tanzen im Wind. Sonst bewegt sich nichts. Mit ihrem Fassungsvermögen von bis zu 3000 Tonnen liegt Sandria schwer und bewegungslos bei Hausen vor Anker. Für Robbie de Jonge ist das nichts Neues. Der 61-Jährige aus Rotterdam hat im Laufe seines Berufslebens schon viel Zeit damit verbracht, auf Tauwetter oder sinkende Pegelstände zu warten.

Wochenlange Wartezeiten

„Eigentlich haben wir das jedes Jahr wieder, 2009 saßen wir ganze fünf Wochen in Hilpoltstein fest“, erzählt de Jonge. Seine Zwangspause in Forchheim dauert jetzt auch schon fast eine Woche. Am vergangenen Donnerstag um 18 Uhr wurde die Hausener Schleuse geschlossen. Seitdem heißt es für die Schiffe und ihre Besatzung: Warten, Tee trinken und auf besseres Wetter hoffen.

„Wir waren schon oft in Forchheim, seit gut 15 Jahren kommen wir jedes Jahr hier durch. 1995 saßen wir schon mal fest, damals konnten wir sieben Wochen lang nicht weiterfahren“, erinnert sich der Holländer. „Uns kennen inzwischen auch viele hier in der Gegend“, ergänzt sein Sohn Robin, „Forchheim ist eine schöne und sehr saubere Stadt, und die Leute sind auch nett.“ Die de Jonges haben in Hausen mittlerweile sogar einen Lieblingsitaliener.

Am 13. Dezember sind Vater und Sohn in Rotterdam aufgebrochen, mit Rohstoffen zur Porzellanherstellung an Bord. Ziel ihrer Reise ist Kelheim in der Nähe von Regensburg, eigentlich müssten sie dort auch schon eingelaufen sein. Doch davon kann keine Rede sein. „Wir haben schon auf dem Main und dem Rhein Zeit verloren, weil dort Hochwasser war“, sagt Robin de Jonge.

1500 Euro pro Tag

1500 Euro kostet jeder Tag, an dem „Sandria“ unverrichteter Dinge vor Anker liegt, eine Versicherung dafür gibt es nicht. „Das kann einen Kapitän schon seine Existenz kosten“, weiß Robbie de Jonge. „Früher haben wir in solchen Fällen Eisgeld von unseren Auftraggebern bekommen, um unseren Verlust auszugleichen“, erklärt der 61-Jährige. „Vor einem Jahr hat das aber schon nur noch ein Drittel unserer Kosten kompensiert. Und in diesem Jahr wollen die Firmen gar nichts mehr zahlen – wegen der Wirtschaftskrise.“

Dabei bekommen die de Jonges die Krise ohnehin schon zu spüren: „Mit jeder Fracht verdienen wir nur noch halb so viel wie vor zwei Jahren, gleichzeitig steigen die Kosten für Diesel“, so Robin de Jonge.

Die Wartezeit, bis sich die Schleusentore wieder öffnen, nutzen die de Jonges, um etwa den Maschinenraum gründlich zu reinigen oder Öl nachzufüllen. „Wir finden schon Arbeit, auf einem Schiff gibt es immer was zu tun“, meint Robbie de Jonge. Und im Zweifelsfall bleiben der Familie – Ehefrau José ist auch mit an Bord – Fernseher und Internet.

Ein wenig trösten können sich die de Jonges damit, dass sie nicht alleine sind: Auch in Nürnberg und Regensburg hängen niederländische Kollegen fest, wie Robbie de Jonge weiß. Und Sandria hat bisher weder Fracht noch Termin für die Rückfahrt – so können sie zumindest vorerst nicht in Verzug kommen. „Wir haben genug zu Essen und gehen morgen nochmal einkaufen“, sagt Robin de Jonge. Der 34-Jährige ist zuversichtlich: „Wenn der Wetterbericht stimmt, könnten wir vielleicht Ende der Woche weiterfahren.“ Falls bis dahin nicht noch kleinere Schiffe nach Hausen kommen. Denn die hätten vor dem langen Koloss der de Jonges Vorfahrt.