Sterben ist das pralle Leben

14.9.2016, 16:00 Uhr
Sterben ist das pralle Leben

© Foto: Thomas Scherer

In Hollywood hätte sie vielleicht die ganz große Karriere gemacht. Sie wollte nicht. Trotzdem hat sie an der Seite von Michael Douglas und John Malkovich gespielt. Mit „Out of Rosenheim“ wurde Marianne Sägebrecht unter der Regie von Percy Adlon ein Star. Die Frau, die jetzt mit ihren beiden Kollegen die kleine Zirndorfer Bühne betritt, hat ihre große praktische Handtasche fest im Griff. Das Ding wird unter dem Tisch verstaut, an den sie sich ein bisschen umständlich setzt. Dann poliert die 71-Jährige die Lesebrille an ihrer Jacke und zündet mit einem Plastikfeuerzeug die drei Dochte der großen Kerze an, die sie ausgepackt hat.

Glamourös ist dieser Auftritt nicht. Marianne Sägebrechts Wirkung spielt in einer ganz anderen Liga. Die Schauspielerin strahlt das Selbstbewusstsein und die Schönheit einer Frau aus, die in sich ruht und die weiß, dass sie in ihrem Leben die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Vielleicht ist es das, was auch ihre Film-Figuren so unwiderstehlich gemacht hat. Dieser sanfte Charme, der keinen Zweifel aufkeimen lässt, dass sie für alles, was ihr am Herzen liegt, mit der gebotenen Renitenz eintreten wird.

Marianne Sägebrecht, Josef Brustmann (Musik und Gesang) und Andreas Arnold (Klarinette und Saxofon) haben Gedichte und Lieder vom Sterben mitgebracht. Das klingt zunächst nicht nach einem heiteren Grundton, aber das ist ein Irrtum. Mehr als hundert Mal ist das Trio mit dieser Auswahl schon aufgetreten, die nichts anderes ist als ein freundliches Memento, das Leben zu leben, solange es währt, ohne das Unausweichliche zu verdrängen.

Stimmiges Ganzes

So sind diese drei natürlich eine perfekte Wahl für den Jubiläumsabend. Im Fokus stehen die vier Apartments, die dem Hospizverein Fürth seit September 2006 im Altenpflegeheim der Arbeiterwohlfahrt des Landkreises Fürth in Zirndorf zur Verfügung stehen. Vereinschef Roland Hanke rückte den Dank für den Einsatz von zahlreichen Ehrenamtlichen in den Mittelpunkt, die Menschen in ihrer letzten Lebensphase zur Seite stehen. Ein ganz wesentlicher Punkt, den auch Landrat Matthias Dießl aufgriff, der die Schirmherrschaft des Jubiläums übernommen hatte.

Die Gäste aus Oberbayern machten ihre enge Verbundenheit mit diesem Thema deutlich und verwoben Lyrisches und Musik zu einem stimmigen Ganzen. Die Ehre, den Anfang zu machen, überließ Sägebrecht einer gleichaltrigen US-Kollegin und zitierte eine Zeile aus Bette Midlers Song „The Rose“: „Der Zweig erfror bei Nacht, im Frühjahr jedoch blühte eine rote Rose.“

In trauter Gemeinsamkeit kamen dann Romantiker wie Clemens Brentano zu Wort neben bekennenden Atheisten wie Bert Brecht oder dem wunderbaren Sprachkünstler Robert Gernhardt, der selbst seiner Todesangst mit einem Aufflackern von finalem Humor begegnete. Ebenso vielfältig begleiteten die beiden Musiker die Kollegin. Alpenländische Volksklänge harmonisierten dabei mit französischen Chansons und Klezmer-Klarinettentönen.

Sägebrecht nahm sich der Gedichte mit der gleichen Unaufgeregtheit an, die ihren ganzen Auftritt prägte. Ihre Rezitation gewann an Wahrhaftigkeit nicht zuletzt, weil sie sich erlaubte, ihr höchstpersönliches Bairisch mitschwingen zu lassen. Ein liebenswerter Effekt, der auch einem alten Niederrheiner wie Hanns Dieter Hüsch nicht weh tat; der wurde zum Mahner, als er einforderte, was Menschen in jeder Lage schwerfällt: Gelassenheit.

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