Acht Portionen Nestwärme im Betonmantel

27.3.2011, 13:00 Uhr
Acht Portionen Nestwärme im Betonmantel

© Horst Linke

Die Nacht ist zu Ende. Den ganzen Winter über hat sich eine monströse Bandsäge durch die 1,10 Meter dicke Betonhülle gefressen und 24 raumhohe Fensteröffnungen hinterlassen. Durch diese flutet nun die warme Frühlingssonne in die noch kühlen Räume auf zwei Etagen. Vier jeweils etwa 115 Quadratmeter große Mietwohnungen und vier Einzimmerapartments sollen hier bis Herbst ausgebaut werden.

Eine neue Großzügigkeit tritt an die Stelle äußerster Enge. 1075 Personen konnten dank ausgeklügelter Logistik einst in den Bunkerräumen bombensicher untergebracht werden. Mit der Umwandlung des hässlichen Kolosses in eine attraktive Wohnanlage erfüllt sich der 43-jährige Fürther Niels Bauerfeld einen Traum. Schon lange hatte er mit dem Gedanken gespielt, doch keinen geeigneten Bunker gefunden. Erst im zweiten Anlauf konnten er und sein ehemaliger Schulfreund Koy Stemmer 2008 dann den Kasten am Kornwinkel ersteigern. Was den auszeichnet, ist vor allem die Lage. Von hier aus geht der Blick über den ausgedehnten Wiesengrund bis hinüber ins Eigene Heim.

Die aus den Wänden herausgesägten Quader wurden zur Hangbefestigung einfach in den Boden versenkt. Damit der Schimmel keine Chance hat, wird der Betonkoloss zusätzlich in eine 15 Zentimeter dicke Styroporhülle eingepackt. Für wohnliche Wärme soll eine Fußbodenheizung sorgen, die ihre Energie von Solarthermie-Modulen und einer Gastherme mit effizienter Brennwerttechnik bezieht. Zu den Wohnungen kommen noch 30 bis 50 Quadratmeter große Balkone und Garagen.

Bis die neuen Sanitäreinrichtungen kommen, kämpfen die Bauherren mit Dampfstrahlern gegen den festgebackenen Schlamm, der beim Betonsägen entstanden ist. Eine Knochenarbeit, doch die Vision des neuen Wohnambientes beflügelt Bauerfeld. Er selbst wird in die obere Etage einziehen.

Der Wahl-Fürther will trotz aller Veränderungen den Charakter des Bauwerks respektieren. Die Wände sollen zumindest teilweise im Originalzustand erhalten werden. Beton-Optik und Leuchtfarbe zeugen vom einstigen Verwendungszweck und schaffen Loft-Atmosphäre. „Ich habe von Anfang an gesehen, was sich aus dem Baukörper herausholen lässt“, erklärt Bauerfeld seine Vorliebe für die auf den ersten Blick wenig anheimelnde Adresse.

Ernüchternd hingegen: die Kosten. Kein Handwerker könne wegen der baulichen Besonderheiten ein Pauschalangebot abgeben. Die zunächst auf drei Monate terminierten Betonsägearbeiten zogen sich tatsächlich über sechs Monate hin. Die stählernen Schleusentore am Eingang sind nur noch Dekoration. Eine neue Konstruktion aus Glas und Aluminium wird das Entree freundlich gestalten.

Die Lüftungsanlage wurde bereits verschrottet, Betten und Notstromaggregat verschenkt. Noch zu haben sind die alten Bunkertoiletten. Mit dem Siedlerverein pflegt Bauerfeld eine gute Nachbarschaft. Immer wieder trifft er auf Menschen, die den Bunker noch als Schutzraum oder Notunterkunft nach dem Krieg erlebt haben.

Eine weitere Variante von „Schöner Wohnen mit Bunker“ hat ein Privatmann an der Mühltalstraße realisiert. Weil das Monstrum allen Sprengversuchen widerstand, setzte er einen Neubau wie ein Baumhaus in acht Metern Höhe einfach auf das Bunkerdach. Eine abenteuerliche Freitreppe dient als Zugang. 2000 wurde die Architekturleistung mit dem Bauherrnpreis ausgezeichnet.
 

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