Alarm in der Solarstadt Fürth

30.5.2016, 06:00 Uhr
Alarm in der Solarstadt Fürth

© Archivfoto: Hans-Joachim Winckler

„Es ist wirklich brutal“, kommentiert Clemens Bloß, Geschäftsführer der infra New Energy GmbH, den Gesetzentwurf. Und er steht mit seinem vernichtenden Urteil nicht allein da. „Hunderttausende Solaranlagen würden unwirtschaftlich“, erläutert Michael Vogtmann vom fränkischen Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie in Nürnberg. Vogtmann, der früher im Fürther Solarinformationszentrum Solid arbeitete, sieht in Schäubles Vorstoß eine „absolute Blockade des Ausbaus der Solarenergie“.

Der Entwurf sieht vor, dass Verbraucher von selbst erzeugtem Solarstrom ab einer bestimmten Größenordnung mit 2,05 Cent pro Kilowattstunde zur Kasse gebeten werden – und zwar rückwirkend. Das ist nach den Worten von Clemens Bloß so, als ob man Bauherrn von Wohnhäusern, die haarscharf kalkulieren mussten, hernach überraschend mit einer Art Wohnraumbenutzungssteuer belegt.

Verheerende Folgen

Die Folgen wären nach Ansicht des Geschäftsführers der Solarsparte des kommunalen Versorgungsunternehmens infra nicht nur für die betroffenen Investoren verheerend. Vielmehr würde das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland beschädigt. Denn wer garantiere nach so einem Vorgang, dass etwa Käufer von Dieselfahrzeugen aus heiterem Himmel einmal nicht mit dem fünffachen Steuersatz zur Kasse gebeten werden?

Große Sorgen macht sich Bloß vor allem um die Zukunft des zarten Pflänzchens der Mieterstrommodelle von Baugenossenschaften. Die bieten in der Solarstadt mit Hilfe der infra New Energy in verstärktem Maß Solarenergie vom Hausdach zum Selbstverbrauch an. Der Anreiz: Diesen Solarstrom gibt es pro Kilowattstunde um einen Cent billiger als den günstigsten Stromtarif der infra. „Damit haben wir es geschafft, dass auch die Mieter von den Solaranlagen profitieren“, freut sich der Geschäftsführer.

Vorbildliche Praxis

Auch Kirchen und Betreiber von Seniorenheimen hat Bloß für sein Projekt gewinnen können. Sie nutzten den selbst erzeugten Strom zu 100 Prozent und trügen damit der Idee des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Rechnung. Gehe der umstrittene Gesetzentwurf durch, bräche der Bau von Solaranlagen ein, prophezeit Bloß und schimpft: „Unser Modell der Mieterbegünstigung wird durch die Steuer kaputt gemacht“.

Nicht nur das, es treffe ganze Unternehmensbranchen, die im Solargeschäft ohnehin schon mit schmalen Gewinnspannen zu kämpfen hätten. Für wenig sinnvoll hält der infra-Mann großflächige Solarfelder auf dem Acker. Denn hier muss der Strom aufwändig zu den Verbrauchern transportiert werden. Statt Großkraftwerken nachzueifern, solle man Solarstrom lieber kleinteilig und verbrauchernah produzieren.

Dies wird mit Modulen auf den Dächern von Firmen und Wohnanlagen erreicht. Entscheidend für die Besteuerung müsse sein, dass der Strom das Grundstück nicht verlässt, auf dem er hergestellt wird. Dabei solle egal sein, wer die Solaranlage betreibt. Es müsse sichergestellt werden, dass alle Bürger von der Energiewende profitieren und nicht nur die Investoren.

Als „fiese Tour“ bezeichnet Bloß den Vorstoß des Bundesfinanzministers. Weil dieser das Erneuerbare-Energie-Gesetz mit der darin festgeschriebenen Förderung der Energiewende nicht ändern könne, weiche er auf das Instrument der jederzeit möglichen Steuererhebung aus. Die Spanier haben es vorgemacht. Bloß: „Da wird mit der linken Hand wieder einkassiert, was man mit der rechten ausgegeben hat.“ Eine weitere Stellschraube zur Förderung der Solarenergie sieht Bloß in Strafzöllen und Mindestpreisen, mit dem sich die EU gegen Billigware aus China wehrt. Würde Abstand davon genommen, könnten Solarmodule zu einem Bruchteil ihres jetzigen Preises auf den Markt kommen. Auch die heimischen Hersteller könnten dabei mithalten.

Positiv entwickelt sich nach Einschätzung von Michael Vogtmann ausschließlich der Bau von Selbstverbraucher-Solaranlagen auf Eigenheimen. Dank der Entwicklung effektiver Speicher seien diese mittlerweile zum Selbstläufer geworden.

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