Als Leopold Ullstein ein Fürther Schuljunge war

4.7.2015, 22:00 Uhr
Als Leopold Ullstein ein Fürther Schuljunge war

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Stundenplan des kleinen Leopold muss beachtlich gewesen sein. Den Schluss legen zumindest die Dokumente nahe, die der Buchwissenschaftler und Historiker Volker Titel im Stadtarchiv sichtete. Zur beantragten Gründung der „Erziehungsanstalt für Knaben“, die Ullstein dann als einer der ersten Schüler in Fürth besuchte, fand Titel zum Beispiel „ein Konvolut“ an Dokumenten in den Regalen des Burgfarrnbacher Schlosses.

Daraus folgt, dass die Zöglinge sich nicht nur mit Mathematik, Kopfrechnen, deutschem Sprachunterricht, Latein, Französisch, Italienisch und Geschichte („Aber nicht zur bloßen Unterhaltung“) herumschlagen mussten, sondern auch Gymnastik machten und mit ihren Lehrern belehrende Spaziergänge unternahmen. Von Freizeit war keine Rede, „Müßiggang“ galt es ohnehin zu bekämpfen.

Das Unterrichtsprogramm für den Jungen, der 1826 in der Fürther Mohrenstraße – die damals noch Markgräfliche Gasse hieß – zur Welt kam, war umfassend. Entschieden entspannter durften sich die Zuhörer zurücklehnen, die so zahlreich zur Lesung mit Musik ins Jüdische Museum kamen, dass weitere Stühle aufgestellt werden mussten. Volker Titel, die Cellistin Irene von Fritsch und der Schauspieler Damjan Batistic vom Kinder- und Jugendensemble KULT des Stadttheaters gestalteten einen Abend, der einfühlsam auf die früheren Fürther Jahre des Mannes einging, dessen Namen noch heute als Markenzeichen ein Begriff ist.

Statt biografischer Datenhangelei oder Belehrungen mit Vorlesungscharakter weckten die drei Bilder im Kopf und ließen Eindrücke entstehen. Volker Titel gelang es – und das ist wirklich ein Kunststück –, sein Thema kurz zu beleuchten. So zeichnete er ein Bild von der gutbürgerlichen Welt des jungen Leopold Ullstein, dessen frühe Erfahrungen entscheidend auch von Fürths erstem liberalen Rabbiner, Isaak Löwi, geprägt wurden.

Leopolds Vater, Hajum Hirsch Ullstein, war Papiergroßhändler, sein Geschäft führte er im Eckhaus Schwabacher Straße 1. Als zeitweiliger Vorsitzender der israelitischen Gemeinde hatte er sich in einem Schreiben an den „hochlöblichen“ Magistrat der Stadt nachdrücklich für die umgehende Installation von Löwi als Rabbiner eingesetzt. Nicht zuletzt sei Löwi der Richtige für die Leitung der Religionsschule, die Hajums Sohn Leopold besuchte, bevor er Schüler der Knaben-Erziehungsanstalt wurde. Auch dort befand er sich dann übrigens in bester Gesellschaft. Titel: „Die Liste der ersten Schüler liest sich wie ein Who is Who der jüdischen Elite Fürths zu dieser Zeit."

Damjan Batistic rezitierte aus den Originalquellen, die Titel fand. Dazu gehörte auch eine Passage aus Christian Gotthilf Salzmanns (1744 – 1811) Erziehungsroman „Josef Schwarzmantel“, der zu Leopolds ständiger Schullektüre zählte. Salzmann, Aufklärer und Pädagoge, entwarf darin ein liebevolles Ausbildungs- und Lebensideal samt einleuchtenden Anweisungen wie den Rat, nicht immer „nach dem Haar in der Suppe“ zu suchen, sondern die guten Seiten des Alltags zu würdigen.

Zum Abschluss des „Lesen!“ -Abends blieb Volker Titel den Zuhörer nur eine Information schuldig: Er verriet nicht, welche Zensuren der Schüler Leopold bekam, sondern gab bloß einen pädagogisch wertvollen Tipp: „Im Kulturforum ist das Zeugnis bei der aktuellen Ausstellung von Sabine Neubauers Buch- und Papierobjekten zu finden . . .“

1 Kommentar