Auch Fürth sendet ein Signal gegen die Atomkraft

27.4.2015, 21:00 Uhr
Auch Fürth sendet ein Signal gegen die Atomkraft

© Foto: Leberzammer

„Ich habe in schon viele Unglücke gesehen, aber das, was rund um das Atomkraftwerk geschehen ist, war das Schlimmste.“ Eindringliche Worte eines Mannes, der 1986 als Feuerwehrmann vor Ort war. Heute ist Michail Breskij, der ehemalige Liquidator – so die Bezeichnung der damals mit den Rettungs- und Aufräumarbeiten betrauten Frauen und Männer –, als Major noch immer bei der Feuerwehr.

Viele der Liquidatoren bezahlten ihren Einsatz mit ihrer Gesundheit oder gar mit ihrem Leben. Auch Breskij und Walentin Jarmola, die auf Einladung des Freundeskreises Weißrussland nach Fürth gekommen sind, leiden unter den Langzeitfolgen. „Wir waren jung und kräftig. Über die Gefahren haben wir nicht nachgedacht“, erzählt Jarmola, der selbst an der Schilddrüse erkrankt ist. „Die Arbeit war gefährlich, aber wichtig“, betont er.

Ein Einsatz, dem die anderen Redner auf dem Grünen Markt großen Respekt zollten. Reiner Gehring von der IG Metall etwa wies auf die Ungerechtigkeit hin, „dass die Menschen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, nicht die politisch Verantwortlichen waren“. Gehring, der mit seiner Familie nur wenige Kilometer vom unterfränkischen Atommeiler Grafenrheinfeld entfernt lebt, bezeichnet die Reaktoren als „Zeitbomben, die nicht beherrschbar sind“.

Kritik an der Gewerkschaft

Die Gewerkschaften schließt der IG-Metall-Funktionär dabei nicht von Kritik aus. Die Argumentation, die Kernenergie erhalte schließlich auch Arbeitsplätze, hält er für unrühmlich: „Die Arbeitsplätze sind sicher, nämlich todsicher.“

Wer nach Tschernobyl gedacht habe, so etwas geschehe kein zweites Mal, sei durch Fukushima eines Besseren belehrt worden. Die europaweite Aktionswoche sei eminent wichtig, „denn wir brauchen eine Diskussion darüber, Atomkraftwerke weltweit abzuschalten“, so Gehring, der auch Zweifel an der zugesicherten Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs hegt.

Oberbürgermeister Thomas Jung ist da zuversichtlicher und setzt auf das Gelingen der Energiewende: „Wir sollten ein Signal in die Welt senden, dass der Ausstieg mit erneuerbaren Energien machbar ist.“ Gleichzeitig könne er die Proteste gegen neue Stromtrassen nachvollziehen. „Ich weiß auch nicht, ob die Leitungen nötig sind, und verstehe beide Seiten gut.“

Der evangelische Dekan Jörg Sichelstiel erinnerte daran, dass auch in der Theologie heute ein anderes Verständnis von Schöpfung besteht als noch vor 30 Jahren. „Der Mensch wird als Teil der Schöpfung gesehen, nicht als deren Krone“, so Sichelstiel. Unter anderen daraus zieht er seine Hoffnung auf die Lernfähigkeit der Gesellschaft. Initiativen wie die europäische Aktionswoche, die in Fürth vom Freundeskreis Weißrussland, den Gemeinden St. Michael und St. Christophorus sowie dem Hardenberg-Gymnasium getragen wird, trügen viel zum Lernprozess bei. „Das ist mühsam, aber wenn man nicht auf die Straße geht, passiert nichts.“

Zum Abschluss entzündeten die rund 50 Teilnehmer der Veranstaltung Kerzen, die in Form des Symbols für radioaktive Strahlung auf dem Pflaster des Grünen Markts platziert waren – als Mahnung und als Erinnerung an die Opfer.

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