Auf der Jagd nach dem großen Geld

18.4.2016, 16:00 Uhr
Auf der Jagd nach dem großen Geld

© Foto: Matthias Horn

Regisseur Wilfried Minks, der 86-jährige Altmeister, vertraut ganz auf Millers Textgrundlage und hält sich nicht mit Versuchen auf, das Stück von 1949 ins Heute zu holen. Was am amerikanischen Traum falsch ist, warum er nicht funktioniert und was das mit uns im 21. Jahrhundert zu tun hat, kann und soll sich jeder selbst denken. Für Minks sind die Zusammenhänge jedenfalls offensichtlich. Alle erinnern sich doch noch an die Pleite von Lehman Brothers, an die Immobilienblase, scheint er zu glauben. Stattdessen steht ganz jener abgehalfterte Verkäufer Willy Loman im Fokus, durch seine Augen erlebt das Publikum das Geschehen.

Burghart Klaußner spielt ihn ohne Koketterie, einfach als den mittelmäßigen, sturen Kleinbürger, der er ist. Automatisch ist man ergriffen von seiner Darstellung eines zerrissenen, orientierungslosen Mannes, der die Welt nicht mehr versteht und die Realität zunehmend verliert. Mal strafft er sich, wenn er von allen Angehörigen Einsatz fordert, mal beugt er den Rücken, wenn er katzbuckelt. Groß und aufreibend macht seinen Auftritt, dass er dermaßen unbelehrbar ist, dass kein Argument, keine Erfahrung diesen Willy von seinem Erfolgsdruck, seiner Karrieresucht befreien kann. Die Handlung mischt Szenen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die sich mal in der Theater-Wirklichkeit, dann wieder in Lomans Fantasie ereignen.

Margarita Broich als Ehefrau Linda Loman verleiht ihrem geplagten Gatten mit einem Minimum an Gesten Würde, besonders, wenn sie den beiden Söhnen erklärt, warum er trotz allem Achtung verdient. Die Figurenpsychologie ist exakt gezeichnet, die Beziehungen untereinander werden tief ausgelotet.

Auch bei den Söhnen Biff (verzweifelt kämpferisch: Christian Sengewald) und Happy (postmodern unentschlossen: David Allers) blickt Regisseur Minks konsequent hinter die Fassade, bis schließlich alles zusammenbricht. Die aufkeimende Hoffnung der Loman-Brüder, ein eigenes Sportartikelgeschäft zu eröffnen, erweist sich als Seifenblase. Auch ein Handwerksjob auf einer Farm ist kein Ausweg.

Für den Zuschauer aber ist die Inszenierung ein schwieriges Unterfangen, gerade weil die wahre Tragödie nicht im Text steht, sondern neben den Dialogen liegt. Sie passiert im luftleeren Wirtschaftsraum und in den Beziehungslinien der Kleinfamilie. Die Dichte des Wortes und des Spiels steigt dramatisch, ebenso wie die Konzentration im Arbeitsalltag der Menschen. Minks verwebt kunstvoll jede Stimme, jede Gefühlsregung, setzt sie kontrapunktisch in ein Mit- und Gegeneinander, bis Willy stirbt.

Zurück bleibt der Vorhang in Form einer riesigen Ein-Dollar-Note, auf der Washington sich entsetzt an den Kopf fasst. Ohne Geld ist man eben ein Nichts.

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