Auf direktem Weg Richtung Nebelbank

8.5.2014, 15:00 Uhr
Auf direktem Weg Richtung Nebelbank

© Martin Bartmann

Wer Rainer Schotts und Markus Stoibers Galerie betritt, den locken Julia Frischmanns großformatige Gemälde in den Schlupfwinkel linker Hand. Ihre sehr abstrahierten wolkenartigen Gebilde und Landschaften gewähren dem Betrachter viel Platz für die Phantasie. Das Gehirn, seit der Steinzeit darauf geeicht, Muster und Figuren zu entschlüsseln, glaubt etwa neben der weiblichen Gestalt auch einen Pferdekopf samt Nüstern in dem wolkigen Gebilde der „Wächterin“ zu entdecken. Auch die „Autobahn“ führt direkt in eine Nebelbank.

Kaum weniger nebulös, aber konkreter malt Anne Kammermeier aus Berlin. Sie siedelt ihre geisterhaft blassen Mädchen in einem violetten diffusen Setting an, was gefährlich nah an den Kitsch rührt. Allerdings lässt Kammermeier die Farbe absichtlich in Schlieren herunterlaufen, doch so, dass Gesichter und Frisuren davon unberührt bleiben. Die vorgeblich schlampige Malweise, der Realismus der Physiognomie und die verhuscht skizzenhafte Umgebung bilden so einen spannenden Kontrast.

Thomas Friedrichs Miniatur-Aquarelle und Gouachen wirken chaotisch wie Kindermalereien, versammeln geometrische Grundformen und Arabesken. Bloß ist das Chaos dann doch zu manieriert und ausgefeilt, sodass der erste Eindruck von Willkür beim dritten Hinsehen schwindet.

Für Freunde des Hardrocks ist es eine ihrer liebsten Ikonen: das Cover der ersten Platte von Led Zeppelin, auf der das Luftschiff „Hindenburg“ abstürzt. Auch in „Kambrische Implosion“ des Nürnbergers Andreas Lehmeyer schwebt ein Riesenluftschiff am purpurn verdüsterten Himmel, inklusive Hakenkreuz am Heck. Darunter blickt eine Vierermannschaft mit maskenartig totenköpfigem Grinsen auf den Betrachter. Es sind dies die Schädelmasken, die in der mexikanischen Folklore zu Allerheiligen ihren großen Auftritt haben. Was dem Europäer makaber anmutet, ist für den Mexikaner eine freudig entspannte Sache, klärt Lehmeyer auf: „Der Tod wird dort ausgelacht, die Familien feiern Picknick auf dem Grab der Großeltern.“ Doch auf dem Bild herrscht trotzdem Weltuntergangsstimmung, das besagt schon der Titel. Lehmeyer stieß zufällig auf den Begriff „kambrische Explosion“, gemeint war der Meteoreinschlag, der den Sauriern den Garaus bereitete. „Explosion klingt ja schon toll, aber Implosion ist doch viel geiler. Da muss der Betrachter nachdenken.“ So schreitet Lehmeyer auf Magrittes Pfaden, der seinen surrealistischen Gemälden auch noch irreführende Titel verpasste.

Lehmeyers Arbeiten konstruieren ein Spannungsfeld aus Lebensfreude und Todesverzweiflung und treiben diese Spannung auf die Spitze. Makabrer Humor ist ein Schutzmechanismus, sich in diesem Spannungsfeld zu bewegen, Melancholie und Tränenfluss ein anderer. Konzentriert findet sich Lehmeyers Schaffen in dem Doppelbildnis „Dämon“. Ein Mann verdeckt sein Gesicht, nur ein Auge linst mit bösem Blick zwischen den Fingern durch, direkt auf den Betrachter. David Bowie! Ob damit wirklich der Popstar gemeint ist, ist unerheblich, worauf es aber ankommt, ist die Assoziationsgirlande, die nun mitschwingt. Neben dem Mann befindet sich eine Frau mit maskenartigem Kindergesicht und übergroßen Kulleraugen schwarz wie ein Abgrund. Wer von beiden ist der Dämon? Ist es die Frau, die den Mann quält, als Gespenst, als Erinnerung, Zerrbild einer Geliebten? Oder ist es der Mann? Schuld scheint der Schlüssel zum Verständnis zu sein. Der Mann verkriecht sich und wagt es kaum, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Die Frau hingegen hat die Hürde der Scham überwunden. Dennoch strahlt ihr Blick eine unermessliche Traurigkeit aus.

Comicleser kennen das „Gastophon", das Saiteninstrument, mit dessen Ultraschall Bürobote Gaston Redaktionen verwüstet. Der Fürther Thomas Mohi hat ihm das „Mohichord“ beigesellt, ein ein- bzw. zweisaitiges Instrument, das laut Schriftschnitzerei wahlweise „good“ oder „bad Vibrations“ verbreitet. Die Mohichorde sind aber nur ein Element der Installation „Bild-Skulptur-WortKlang". Weitere bilden vier Holzskulpturen, die die vier Elemente verkörpern und den Himmelsrichtungen zugeordnet sind.

Bröckelnder Putz

Am Ende des Raums tobt sich die Berlinerin Laetitia Bellmer aus. Ihre Straßenansichten taucht sie in grelle Farben, die trotz ihrer Leuchtkraft eine merkwürdige Kälte wie Neonlicht verströmen. Keine Menschenseele lässt sich auf den Straßen und Hinterhöfen blicken, dafür bröckelt der Putz, stehen Stühle und Regale mit Flohmarktartikeln herum. Allerdings nichts aus Omas Nähkästchen, eher von Rudis Resterampe: billiges buntes Kunststoffzeug. Trotz Zentralperspektive und Fluchtlinien stellt sich in Bellmers Bildern keine Plastizität oder Räumlichkeit ein. Eher gewinnt man den Eindruck, perfekt arrangierte Farbfolien zu betrachten, die einen Außenraum suggerieren. Urbanität als laborhaft künstlicher Kosmos.

„Open Mind 34/6“: Art Room (Gebhardtstraße 2), Telefonnummer 97 61 74 80. Dienstags bis freitags 16–20, samstags 15–19 Uhr. Bis 31. Mai.

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