Auf geht’s in die Pfiffer

23.10.2016, 06:00 Uhr
Auf geht’s in die Pfiffer

© Foto: Peter Budig

Morgens um neun am Waldparkplatz Dillenberg, in der Mitte zwischen Keidenzell und Deberndorf im Landkreis Fürth: Das ist zweifelsohne ein Event, was Sissi Stanek und ihr Ehemann Achim hier veranstalten. Das Rentnerehepaar, beide um die 80 Jahre alt, hat die Pilzwanderung diesmal bei der Volkshochschule Veitsbronn angeboten – und ruckzuck war die morgendliche Naturbelehrung für sechs Euro Teilnahmegebühr ausgebucht. „Mehr wie 20 Leute nehmen wir nicht mit, das macht keinen Sinn mehr“, erklärt die frühere Zahnarzthelferin Sissi Stanek, eine geprüfte Pilzexpertin.

Die Leute gehen wieder vermehrt in die Pilze, das kann man konstatieren. Wandern und etwas selbst Gesammeltes mitbringen, das es so schwerlich zu kaufen gibt, es selbst zubereiten, vielleicht Freunde einladen, solche altmodischen Genüsse sind wieder en vogue. Darum gleich ein paar wichtige Vorbemerkungen: „Bevor man selbst und eigenständig sammeln kann, auf das eigene Urteil Verlass ist, das dauert Jahre, Jahrzehnte“, so Sissi Stanek, und ihr Mann Achim assistiert: „Es gibt wirklich ausgezeichnete Bücher.“ Auch die App „Meine Pilze“, deren Informationen monatlich auf den neuesten Stand gebracht werden, empfiehlt das Ehepaar. „Aber zur sicheren Pilzbestimmung taugt das nicht.“

Worauf es ankommt, ob ein Pilz eine bekömmliche Speisezutat ist oder ein gefährlicher, giftiger Doppelgänger (der auch noch gerne in der Nähe wächst), das zu unterscheiden braucht vor allem Erfahrung. Jahrelang ist zum Beispiel Stefan Schneider, jetzt selbst examinierter Experte der „Deutschen Gesellschaft für Mykologie“, mit den Staneks in den Wald gegangen, hat ungezählte Kurse und Lehrgänge besucht, bis er sich seines Urteils sicher war.

Das jedermann bekannte Beispiel eines feinen Pilzes und seines bittergiftigen Doppelgängers kennt theoretisch jedes Kind: der Wald- und Wiesenchampignon und der Knollenblätterpilz. Letzterer hat grüne Lamellen (unter dem Schirm) und eine knollige Wurzel. „Am besten ist es“, gibt Stanek eine Losung aus, „wenn man nur Grundkenntnisse besitzt, einfach keine Lamellenpilze mitzunehmen. Nur Ausnahmen sind schmackhaft“.

Doch das ist schon wieder Lesewissen. Draußen, in der Natur, sind die Unterschiede ganz anders zu bestimmen, wie anhand eines Bildes. Und dann ändern sich auch noch die wissenschaftlichen Urteile: Zum Beispiel gilt der Keulenfüßige Trichterling heute als giftig. In alten Büchern kann man noch das Gegenteil lesen.

Varianten der Zubereitung

Erst nach Jahren erwirbt man ein solides Basiswissen, das bestätigt auch die Dauer-Pilzwanderin Eike Steiner: „Ich bin schon süchtig aufs Pilzwandern. Neulich hab ich in der Rhön den Schwarzhütigen Steinpilz gefunden – ein Gedicht“, schnalzt sie förmlich mit der Zunge. Auch sie ist Stammgast von Staneks Pilzgängen.

Was macht man mit seiner gemischten Pilzsammlung, wenn sie denn vom Experten begutachtet und „freigegeben“ ist? Zubereitungsmöglichkeiten gibt es fast so viele wie Arten. Man kann Pilze trocknen (für die Bratensoße), einfrieren (sollte sie aber spätestens nach einem halben Jahr essen), oder am besten sofort verzehren. Rumliegen, selbst im Kühlschrank, mögen sie gar nicht. Warnung: Man esse Pilze niemals roh. Sissi Stanek plädiert auch entschieden fürs Waschen (was in mancher Haute Cuisine als Sünde gilt): „Der Fuchsbandwurm ist selten, aber keine Legende, und wer ihn hat, der wird ihn nicht mehr los.“

Sie bereitet ihre Pilze klassisch zu: waschen, schnippeln, Zwiebel in Butterschmalz andünsten, Pilze dazu und zehn Minuten dünsten, mit etwas Sahne und Peterle verfeinern. Das Ganze kommt auf Nudeln oder in einen Pfannkuchen. Ihr absoluter Lieblingspilz ist der Frost-Schneckling, ein reiner Mykorrhizabildner, wie der Experte sagt. Das heißt, dass er eine Lebensgemeinschaft mit einer Baumart bildet, in seinem Fall an Stamm und Ästen von Kiefern wächst.

Auch ein Pilzrisotto nach italienischem Rezept oder die Pilze auf ein Steak oder Wildgericht gelegt, kann einem Feinschmecker Wasser in den Mund treiben. Dabei passen fast alle Pilze gut zusammen in ein Mischgericht. Denn nicht oft findet man sortenrein genug für eine Mahlzeit, besonders wenn der Herbst so trocken ist, wie in den vergangenen Wochen.

„Heuer wuchs bisher fast nichts“, bestätigt Achim Stanek, der schon als Bub mit dem Opa sammeln ging. Doch das ändert sich dieser Tage. Und er räumt noch mit einem weiteren gefährlichen Vorurteil auf: „Manche Leute sagen, dass man Pilze, an denen schon Tiere geknabbert haben, bedenkenlos essen kann. Das ist völliger Quatsch“, schüttelt er den Kopf. Und seine Frau Sissi ergänzt: „Tiere haben ein ganz anderes Verdauungssystem als wir Menschen“.

Pilzbestimmungen und Wanderungen: Adressen/Termine findet man auf der Seite der Naturhistorischen Gesellschaft unter Pilzberatung: www.nhg-nuernberg.de

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