Aufgepasst: Roßtal zieht vom Leder

29.6.2018, 16:00 Uhr
Aufgepasst: Roßtal zieht vom Leder

© Foto: Sabine Rempe

Ötzi, der Steinzeitmann, der als Gletschermumie Furore machte, trug Lederschuhe. Im Grab des Tutanchamun fand man elegante Sandalen aus dem gleichen Werkstoff, und auch Roms Legionäre setzten auf gegerbte Tierhäute, wenn es um ihre Ausrüstung ging. Leder gilt seit Jahrtausenden als ideal für viele Fälle: Es ist weich, widerstandsfähig, stabil, flexibel und wasserundurchlässig. Für die neue Sonderausstellung haben Anita Nagel und Juliane Hubbes nun Schaustücke zusammengetragen, die die regionale Geschichte dieses besonderen Stoffes verdeutlichen.

Viele Teile stammen aus der Sammlung des Heimatmuseums. Die Frage sei natürlich gewesen, wie man die einzelnen Exponate am sinnvollsten präsentiert, sagt Juliane Hubbes. Die Lösung kam von Ulrich Grimm: "Er machte den Vorschlag, doch das Ständebuch von Jost Amman als roten Faden zugrunde zu legen." Damit wird jetzt zugleich ein Jubiläum gewürdigt: "Dieses Werk, das mit Holzschnitten und mit Versen von Hans Sachs auch die verschiedenen Handwerke vorstellt, erschien vor genau 450 Jahren in Nürnberg."

Im Fokus der Roßtaler Ausstellung stehen natürlich die Berufe jener Zeit, die sich mit der Herstellung und Verarbeitung von Leder beschäftigten. Der Ausgangspunkt ist der Läderer, der die Häute gerbt, das heißt, haltbar gemacht hat. Das war ein schmutziges und im wahrsten Wortsinn anrüchiges Geschäft. In der Vitrine erinnert unter anderem ein sogenannter Scherdegen an die Arbeit der Gerber.

Aus dem fertigen Produkt entstanden beim Schuster dann zum Beispiel Schuhe, die zarte Kinderfüße einst vor Schmutz und Kälte schützten. Ein besonders zierliches Paar stammt aus dem Fundus des Museums, daneben stehen riesig anmutende Männerstiefel, die so passgenau angefertigt worden waren, dass sie nur mit dem – ebenfalls ausgestellten – Stiefelknecht ausgezogen werden konnten.

An Roßtals letzte Sattlerwerkstatt, die Leonhard Dobersberger betrieb, wird in einer weiteren Vitrine erinnert. Hier sind unter anderem typische Arbeitsgeräte zu sehen: Ein Halbmondmesser, gebogene Nadeln, Lochzangen und sogar eine längst historische Flasche Lederöl gehören dazu.

Die Ausstellungs-Gestalterinnen haben sich intensiv mit ihrem Thema beschäftigt. "Um uns möglichst umfassend zu informieren, sind wir auch nach Offenbach ins Deutsche Ledermuseum gefahren", berichtet Anita Nagel. Das gewichtigste Objekt in ihrer Schau ist nun ein Kummetstock, ein konisch zulaufender Eichenstamm in einer einem Pferdehals entsprechenden Form. Darauf wurden Geschirre gearbeitet. Als Beispiel zu bewundern ist etwa ein Stirnjoch für Ochsen.

Ganz entschieden weniger Gewicht bringen Werkstücke auf die Waage, die Beutler beziehungsweise Täschner anfertigten. Grazile Modelle gehören dazu, Geldbörsen, Schulranzen oder auch ein klassischer Arztkoffer. Wie vielseitig der Einsatz des robusten Materials war, beweisen andere Teile: Da sind Feuerlöscheimer aus extrem dicken Leder. Die schwere Jacke, die nun auf einem Bügel dekoriert ist, gehörte einem Arbeiter im Nürnberger Gaswerk und ein emsiger Pilot setzte anno dazumal die eng anliegende Lederkappe auf, bevor er in die Luft ging. Die Luft ist jedoch aus dem handgenähten Lederfußball, der in der Vitrine liegt, längst entwichen . . .

Eröffnet wird die Ausstellung im Heimatmuseum (Schulstraße 13) am Sonntag, 11 Uhr. Besucht werden kann sie dann bis März 2019 jeweils am ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr. Sonderführungen sind nach Anmeldung (Tel. 0 91 27/57 97 88) jederzeit möglich. Anschauen kann man sich dann übrigens auch, was denn nun wirklich alles auf eine Kuhhaut geht: Zur Schau gehört ein Exemplar in Originalgröße.

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