Aus Nächstenliebe gegen das NS-Regime

10.4.2015, 16:00 Uhr
Aus Nächstenliebe gegen das NS-Regime

© dpa

Dietrich Bonhoeffer muss ein geradliniger, kompromissloser Mensch gewesen sein. Seine Biographie, seine zahlreichen Schriften, Briefe und Reden vermitteln diesen Eindruck. Als einer der wenigen evangelischen Theologen seiner Zeit erkannte er die politische Dimension der Kirche – und handelte, als es zu handeln galt.

Bonhoeffer widersetzte sich dem Nazi-Regime, organisierte Widerstand, plante ein Attentat auf Adolf Hitler. In einem Vortrag, den er im Jahr 1933 vor Berliner Pfarrern hielt, sagte er: Aufgabe der Kirche ist es auch, „nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“.

Für Florian Höhne, der als Vikar in der Heilig-Geist-Kirche arbeitet, ist diese Aussage von zentraler Bedeutung. „Es war für ihn nicht entscheidend, eine weiße Weste zu bewahren“, so Höhne. „Bonhoeffer wollte aus Nächstenliebe heraus verantwortlich handeln und das tun, was dem Nächsten dient.“

An der Person Bonhoeffer fasziniert ihn, dass er „sich in dieser Zeit auch für alle Nichtchristen eingesetzt hat. Das ist wegweisend.“ Kirchenvorsteherin Ute Baumann, die sich ebenfalls an der Lesung beteiligt, hat zu Bonhoeffer einen sehr engen Bezug: „Meine Eltern waren Zeitzeugen. Für sie war es entlastend, dass es Leute gab, die sich widersetzt haben.“

Als Bonhoeffer am 4. Februar 1906 in Breslau zur Welt kommt, ahnt niemand, dass er später als einer der größten Theologen seiner Zeit gelten wird. Im Gegenteil: Sein Vater, Karl Bonhoeffer, ein Psychiatrieprofessor, und seine Mutter Paula stehen der Kirche kritisch gegenüber. Der junge Dietrich Bonhoeffer lässt sich davon nicht beirren: Er studiert Theologie in Tübingen, promoviert, wird Vikar – und bekommt einen Lehrauftrag an der Berliner Universität. Von 1930 bis 1931 lebt er in New York und besucht die Gottesdienste der Schwarzen im Stadtteil Harlem. Hier lernt er, dass das Evangelium alle Grenzen überwindet. Grenzen, unter denen die Kirche in seinem Heimatland ächzt.

Zum Reden gezwungen

Mit der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 wächst Bonhoeffers politisches Engagement. „Sowohl ein Zuwenig an Ordnung und Recht als auch ein Zuviel an Ordnung und Recht zwingt die Kirche zum Reden“, schreibt er damals. Und: „Der Staat, der die christliche Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst.“ Bonhoeffer wählt eindringliche Worte – und stößt damit in Fachkreisen auf Unverständnis. Im Jahr 1934 wird der Theologe schließlich Mitglied der Bekennenden Kirche. Das Ziel: Die Kirche soll eigenständig bleiben, sich nicht von den Nationalsozialisten bevormunden lassen.

Bald darauf schließt sich Dietrich Bonhoeffer dem Widerstand an. Er will sich nicht mehr länger nur um die Opfer kümmern, sondern „dem Rad selbst in die Speichen fallen“, das Nazi-Regime aus Nächstenliebe stürzen. Ein geplantes Attentat auf Hitler im Juli 1944 misslingt – und Bonhoeffer wird wegen Hochverrates zum Tode verurteilt. Er stirbt am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg, einen Monat vor Kriegsende.

Kurz zuvor schreibt Dietrich Bonhoeffer an seinen Patensohn, das Kind seines Freundes Eberhard Bethge: „Der Tag wird kommen, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert.“ Dann fügt er an: „Bis dahin wird die Sache der Christen eine stille und verborgene sein; aber es wird Menschen geben, die beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten.“ Es sind Worte, die auch heute – 69 Jahre nach Bonhoeffers Tod – Bestand haben.

Verwandte Themen


1 Kommentar