Bauschutt statt Luther in Langenzenn

20.6.2016, 13:00 Uhr
Bauschutt statt Luther in Langenzenn

© Foto: Thomas Scherer

Vorspiel: Sogar kirchlicher Segen war dem Luther in der Lehmgrube gewiss. „Das könnte zu einem großen Historienspektakel werden“, meint der Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche Ende vergangenen Jahres erfreut. Die Kirche möchte gleich ein größeres Kontingent Eintrittskarten kaufen.

Da waren gerade die Pläne der Hans-Sachs-Spieler bekannt geworden, Martin Luther in Langenzenn seine Thesen in einem Theaterstück an die Kirchentüre nageln zu lassen — im Jahr des 500. Jubiläums der Reformation, in einer imposanten Kulisse, in der weitläufigen früheren Tongrube der Erdbaufirma von Michael Reithelshöfer unweit der Erddeponie mit Wertstoffhof in Horbach.

Erster Akt: Eine zum Teil fahrbare Bühne, eine Zuschauertribüne für 400 Besucher, alles in allem also eine Spielstätte mit Strahlkraft weit über den Landkreis hinaus und kostenlos auf 25 Jahre zur Verfügung gestellt von Senior Reithelshöfer — da kann sich Klaus Roscher (63), Chef der Hans-Sachser und Dritter Bürgermeister Langenzenns von der SPD, im November 2015 noch zuversichtlich zeigen. 200 000 Euro kann der Verein selbst aufbringen („Wir zahlen Unseres selber, nicht die Allgemeinheit“), hauptsächlich hereingespielt durch die ausverkauften Aufführungen des „Brandner Kasper“ 2012/2013; weitere 200 000 Euro können aus dem EU-Regionalentwicklungstopf Leader abgezapft werden. „Eine Brache einer kulturellen Nutzung zuzuführen, ist genau im Sinne des Zuschussprogramms“, nickt Landrat Matthias Dießl (CSU). Auch die Stadt spendet Beifall. Große Konzerte und Open-Air-Kinoabende seien hier denkbar, schwärmt Bürgermeister Jürgen Habel (CSU). Die Kreisnaturschutzbehörde hat ebenfalls keine Einwände.

Zweiter Akt: Vereinschef Roscher lässt Pläne erstellen, schließt Verträge, erwirbt die Aufführungsrechte am Drehbuch des Films „Luther“, gibt ein Lärmschutzgutachten in Auftrag, klärt die Parkplatzsituation mit Zufahrt durch Gewerbestraßen. Locker 15 000 Euro gibt Roscher dafür aus.

Die Stadt überarbeitet den Flächennutzungsplan und will hinter dem Wertstoffhof des Kreises bei Horbach Gewerbeflächen und ein Sondergebiet „Naturbühne“ ausweisen. Da kommen Klaus Roscher erste Warnhinweise zu Ohren: Der Kreis habe dort ein altes Ablagerungsrecht.

Dritter Akt: In einer Stadtratssitzung bekommen die Langenzenner zu hören, dass nur der Kreisbaumeister Tilman Lohse gravierende Einwände gegen die Pläne geltend gemacht hat. Eine Naturbühne widerspreche dem „abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschluss“ vom 3. März 1983, der dem Kreis die Nutzung als Deponie und mögliche Erweiterungsfläche für Erdreich und Bauschutt zusichere. Das müssten auch die Langenzenner eigentlich wissen, moniert Lohse. Und an dieser rechtlichen Lage habe sich bis heute nichts geändert, sagt Christian Ell, Sprecher des Landratsamtes, auf Anfrage der FLN. Einspruch dagegen erhebt der Stadtrat Langenzenns mit einem einhelligen Beschluss.

Zweifel an einem unverrückbaren Recht des Kreises nähren auch Dokumente, die unserer Redaktion vorliegen. In einem Schreiben vom 26. Mai 2003 an den Tongrubenbesitzer bekundet die damalige Landrätin Gabriele Pauli: Der Kreisausschuss habe beschlossen, auf das verbriefte Vorkaufsrecht für das Gelände zu verzichten. Begründung: Der Regionalplan 1983 habe vorhergesagt, die Deponie werde nur noch 15 Jahre aufnahmefähig sein, man brauche Erweiterungsfläche. Nun aber, so Pauli im Jahre 2003, rechne man damit, die Deponie noch 60 Jahre befüllen zu können. In einem zweiten Schreiben vom 16. Juli 2003 bekräftigt sie, bei einem Treffen mit den Fraktionschefs im Kreistag sei man einmütig zur Auffassung gekommen, auf die Rechte zu verzichten.

Im Landratsamt, so Sprecher Ell, kenne „niemand“ diese Schreiben Paulis. Beschlüsse seien damals nicht gefallen. Es laufen nun allerdings Gespräche, damit den Hans-Sachsern der Betrieb der Naturbühne doch ermöglicht werden kann. Klaus Roscher bestätigt auf Anfrage, dass der Kreis nun eine Nutzung auf 18 Jahre angeboten hat, mit der Option, die Bühne dann wieder abzuwickeln.

Aus Luther 2017 in der Lehmgrube wird freilich wegen der behördlichen Verzögerungen nichts. Der Reformator wird stattdessen im Langenzenner Klosterhof und auf dem Martin-Luther-Platz aufgeführt, gemeinsam mit den Klosterhofspielern, unter Federführung der Hans-Sachser. Erst 2018 kann die Naturbühne (mit einem anderen Stück) bespielt werden.

Nachspiel: Demnächst mit Drehbuch, Hammer und Nägeln an der Tür eines Sitzungssaales.

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