Bedrückende Zustände für Zirndorfer Asylbewerber

27.6.2013, 13:16 Uhr
Bedrückende Zustände für Zirndorfer Asylbewerber

© dpa

Die Zustände im Aufnahmelager in Zirndorf sind bedrückend. Eine Gruppe Flüchtlinge aus Tschetschenien soll nach Informationen unserer Zeitung sogar in Hungerstreik getreten sein. Der Leiter der Einrichtung, Werner Staritz, hat dies allerdings ebenso dementiert wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit Sitz in Nürnberg. Es gebe derzeit keinerlei Anzeichen für einen Hungerstreik. Ein Großteil der Flüchtlinge sei wie immer zur Essensausgabe erschienen, betont Staritz. Dass in seiner Einrichtung trotz der neuen Wohncontainer, in dem 150 Menschen Platz haben, wieder einmal akuter Platzmangel herrscht, bestreitet er nicht.

Doch die Lage sei nicht so dramatisch wie noch vor wenigen Monaten. „Da habe ich nachts nicht richtig schlafen können, weil ich nicht wusste, wo ich die Leute noch unterbringen soll.“ Die Betten in den Garagen seien ein absoluter Notbehelf, versichert er. In den nächsten Tagen werde sich die Lage in Zirndorf wieder entspannen, weil Flüchtlinge entweder auf die Zweigstellen in Nürnberg und Ammerndorf oder auf Landkreise und Kommunen verteilt werden.

Indes drücken sich vier tschetschenische Männer vor dem halboffenen Eingang einer Garagen herum. Fotos? Die Männer winken energisch ab. Sie wollen keinesfalls aufs Bild. „Zu gefährlich, wir haben Angst vor den Russen“, raunt einer von ihnen. Einen Blick in den armseligen Unterschlupf gestatten die Flüchtlinge dann doch.



Früher waren hier Polizei-Busse untergebracht, heute stehen graue Doppelstockbetten dicht an dicht. 32 Leute haben hier und in der Garage daneben vorübergehend Unterschlupf gefunden. Gestern sind 60 Flüchtlinge weiterverteilt worden, erzählt Starritz. Nur noch zehn Schlafplätze sind belegt. Das ist erkennbar an den zerknüllten Laken und Kleidungsstücken, die dort liegen. Das sind Zehn zu viel, findet Erwin Bartsch, Diakon der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde St. Rochus. „Das ist absolut menschenunwürdig, da kriegt man das Heulen“, sagt er. Da müsse es andere Möglichkeiten geben.

709 Flüchtlinge leben derzeit in Zirndorf. Ausgelegt ist die Einrichtung für 650 Menschen. 90 weitere Flüchtlinge sind in der Zweigstelle in Nürnberg und 54 in Ammerndorf untergebracht. Doch die Zahlen ändern sich täglich. Pro Woche bitten zwischen 150 und 250 Flüchtlinge in Zirndorf um Asyl. Oftmals sind es sogar noch mehr. „Wir haben nicht selten um die 50, 60 Leute am Tag“, erzählt Bartsch. Seit 20 Jahren besucht er die Einrichtung täglich. Die meisten der Flüchtlinge kommen aus Tschetschenien. Mittlerweile leben hier 500 Menschen aus der Region im Nordkaukasus.

Fehlende Waschräume

Bartsch kritisiert, dass es zu wenig sanitäre Anlagen für alle gebe. Die in den Garagen untergebrachten Menschen müssten die Waschräume in den Wohncontainer mitbenutzen. Das beschwöre Konflikte herauf. Privatsphäre? Die gebe es nicht. Auch nicht für Familien mit kleinen Kindern. Wegen der Überfüllung des Lagers werden Ehepaare auseinandergerissen, um jeden Schlafplatz effektiv zu nutzen. Häufig kommt eine Familien mit vier oder fünf Kindern im Zweibettzimmer unter.

In München hat unterdessen Sozialministerin Christine Haderthauer die 55 hungerstreikenden Asylbewerber zum Abbruch der Protestaktion aufgefordert. Seit Beginn des Trinkstreiks am Dienstag sind zehn Demonstranten wegen Dehydration ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Einer befindet sich derzeit noch auf der Intensivstation. Das Bamf kündigte an, die Asylanträge der demonstrierenden Flüchtlinge in den kommenden zwei Wochen zu prüfen. Man könne allerdings keine Garantie auf einen positiven Bescheid geben. Die Stadt München versprach, die humanitäre Situation auf dem Rindermarkt, wo die Flüchtlinge seit dem Wochenende in einem Camp leben, zu verbessern.

Hermann kritisiert die streikenden Asylbewerber

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat den Streik unterdessen scharf kritisiert. „Erpressung als Mittel, um Asylrecht zu erhalten, ist völlig indiskutabel“, erklärte Herrmann am Donnerstag. Jeder, der Asyl beantrage, habe das Recht auf ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren. „Und das bekommt er auch.“ Durch Hungerstreiks könne der Rechtsstaat aber nicht einfach außer Kraft gesetzt werden.

„Jeder, der in unserem Land Asyl beantragt, muss dabei auch unsere Regeln anerkennen und die rechtsstaatlichen Verfahren akzeptieren“, betonte er - und rief SPD und Grüne auf, sich „von diesen Erpressungsmethoden zu distanzieren“. Herrmann erläuterte, derzeit werde nur etwa jeder dritte Asylbewerber vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt.

„Das heißt: Bei zwei Dritteln der Asylbewerber liegen keine asylrelevanten Fluchtgründe vor. Sie haben das Land nach Abschluss des Asylverfahrens wieder zu verlassen.“ All das werde aber in einem ordnungsgemäßen Verfahren geprüft, betonte der Minister.

Derzeit ziehen sich allerdings viele Asylverfahren hin. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer hatte ihren CSU-Parteifreund, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, deshalb am Mittwoch aufgerufen, für schnellere Asylverfahren zu sorgen und 140 vorgesehene neue Stellen des Bundesamts unverzüglich zu besetzen.

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