"Bei aller Kritik ging‘s um die Sache, das war auszuhalten"

17.3.2017, 11:00 Uhr

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Reinl gehörte Zeit seines Berufslebens nicht zu denen, die den aufgeräumten Schreibtisch pflegten. Er hielt es eher mit der von Albert Einstein tradierten Aussage vom Genie, das das Chaos beherrscht. In den drei Wochen vor seinem Abschied aus dem Landratsamt sind die aussortierten Ordner und Akten auf den Tischen allerdings nicht mehr nur gestapelt, sondern zu Bergen aufgetürmt. Vor der Tür steht der nächste Metallcontainer fürs Altpapier. Es ist der dritte, er dürfte sich auch noch füllen.

32 Jahre Chef der Kreiskämmerei, da sammelt sich einiges an. Etliches ist dem erklärten "Voll-Tischler", wie sich Reinl selbst nennt, in die Hände gefallen, das er längst aus seinen Gedanken verbannt hatte und ihn erinnerte an Vorfälle, die ihn mächtig wurmten — und ihn rückblickend den Kopf schütteln lassen, sinnierend darüber, warum er sich überhaupt so ärgerte. Umgekehrt stieß er auf manches, das eine Anekdote wieder vergegenwärtigte, die ihn noch heute schmunzeln lässt. Konkret werden will er weder im einen noch im anderen Fall. Er ist nicht der Typ, der auf den letzten Metern noch jemanden verärgern wollte.

Kundig und kooperativ

Reinl verstand sein Fach wie kaum ein anderer, mehr noch: Er konnte es vermitteln und hat stets angeboten, die Zahlen zu erläutern. Seitens der Kreisräte tatsächlich angenommen hat das Angebot in all den Jahren nur einer: Harry Scheuenstuhl aus Wilhermsdorf kam nach seiner Wahl zum Kreisrat 1996 ins Amt, den damals noch in Papierform vorgelegten mehrere Zentimeter dicken Kreisetat unter den Arm geklemmt. "An dem wimmelte es nur so von kleinen gelben Papierreitern", erinnert sich Reinl. Einen ganzen Nachmittag war er mit dem Neuling im Kreistag zusammengesessen, um ihm die Zahlenkolonnen zu erklären.

Nach der Ausbildung an den Landratsämtern Nürnberg-Land und Ansbach zum Regierungsinspektor und einem Intermezzo bei der Regierung von Mittelfranken landete Reinl am 6. Dezember 1976, dem ersten Geburtstag von Matthias Dießl, am Landratsamt Fürth. Dießl ist längst den Windeln entwachsen und bekanntlich derzeit amtierender Landratsamts-Chef. Die beiden Vorgänger hat Reinl ebenfalls erlebt. Mit wem er am liebsten zusammenarbeitete, lässt er sich nicht entlocken. "Das behalt‘ ich lieber für mich, schließlich sind die alle drei noch in der Nähe."

Reinl hat sich nie parteipolitisch vereinnahmen lassen. Dass er ohne Parteibuch den Posten des Kreiskämmerers bekam, darauf, sagt er, ist er noch heute stolz. Seine Verabschiedung in seiner allerletzten Kreistagssitzung, in der zugleich einmütig der Haushalt für 2017 verabschiedet wurde, hat ihn sehr gefreut. Voll des Lobes hatten sich alle Fraktionen gleichermaßen bei ihm für seine Arbeit bedankt. Und Landrat Dießl überreichte ihm den ersten Etat, den Reinl für den Landkreis zusammenstellte, in gebundener Fassung. Reinls eigenes Exemplar anno 1986 ist ziemlich zerfleddert. "Das hab ich tausendmal durchgeblättert."

Heute kennt er die Kreisverwaltung ganz genau, hat sich um die Schülerbeförderung gekümmert, den Bauhof in Oberasbach verwaltet, jahrelang den Grunderwerb verantwortet und das in einer Zeit, als die großen Straßenbaumaßnahmen wie die Verbindungsstraße West anstanden. Dass die Herrschaft über die Zahlen eine trockene Materie sei, wie ein Außenstehender glauben könnte, weist Reinl energisch zurück: "Die Zusammenstellung des Etats an sich ist nicht das Zentrale, sondern das Drumherum. Denn: Ums Geld geht‘s immer, insoweit ist der Kämmerer überall beteiligt, da ist immer etwas los, mitunter auch die Hölle." Interessant und abwechslungsreich sei die Aufgabe. Wer sie innehat, kann überall mitgestalten, sitzt an einer Schlüsselstelle.

Von wegen bequem

Bequem findet Reinl den Posten in der Kreiskämmerei, die doch das Geld, das der Landkreis für die übergeordneten Kreisaufgaben benötigt, mangels eigener Steuereinnahmen ganz gemütlich bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden abzapfen kann, wie dieser Gebietskörperschaft gern nachgesagt wird, überhaupt nicht, eher anstrengend. "Wir stecken im Sandwich der kommunalen Ebenen mittendrin und werden von allen Seiten bedrängt, sind sowohl den Forderungen des Bezirks als auch der Kritik der Kommunen ausgesetzt." Das hat mitunter zu heftigen Diskussionen geführt, doch die seien nie auf die persönliche Ebene abgerutscht: "Bei aller Kritik ging es immer um die Sache, das war auszuhalten."

Was allerdings auch an seinem Auftreten gelegen haben dürfte: Stets korrekt, sachlich, freundlich aber auch bestimmt, wenn es denn sein musste. Beispielsweise dann, wenn es zum x-sten Mal um das "leidige Thema" (Reinl) Höhe der Kreisumlage ging. Dabei ist der Landkreis Fürth seit Jahren einer der mit den niedrigsten Hebesätzen in Bayern, wie Reinl betont. Dem Landkreis geht es gut. Er ist aufgrund seiner Ballungsraum-Nähe gefragter Standort für Unternehmen und begehrter Wohnort vor allem einkommensstarker Menschen. Davon profitiert die öffentliche Kasse.

Neben den Sanierungen der Schulhäuser — das letzte steht mit dem Gymnasium Stein noch an — schultert der Landkreis seit Jahren etwa mit den Realschulneubauten in Zirndorf (2001) und Langenzenn (2015) oder dem neuen Landratsamt in Zirndorf (2003) ein Großprojekt im Umfang zweistelliger Millionenbeträge nach dem anderen. Das nächste steht mit der Komplett-Verlagerung der Kreisbehörde von Fürth nach Zirndorf und dem dafür nötigen Anbau ab 2020 an.

Selbst wenn sich die Aufgaben auf Landkreis-Ebene in Reinls Zeit kontinuierlich mehrten und die Ausgaben in Teilbereichen, beispielsweise in der Jugendhilfe, regelrecht explodierten, ging es auf der Einnahmenseite doch ebenfalls stetig bergauf, verweist Reinl auf seine Lieblingsgrafik der steigenden Umlagekraft der kreisangehörigen Kommunen. "Der Landkreis Fürth", so Reinl, "steht ordentlich da."

Er übergibt ein geordnetes Haus. Über seine Nachfolge ist bereits entschieden: Martin Kohler, elf Jahre Erfahrung in der Kämmerei, wird von Reinl bereits seit zwei Jahren auf die Amtsübernahme vorbereitet. Reinl selbst hatte diesen Einstieg nicht, als er am 1. Mai 1985 mit gerade 32 Jahren — damals Bayerns jüngster Kreiskämmerer — den Posten übernahm. An seine erste Tagung im Kreis von Bayerns Kreiskämmerern erinnert er sich gut: "Da war ich das Küken". Seinen Abschied nimmt er als einer der dienstältesten in Bayern.

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