Bildungspaket: Nachhilfestunden als Geschenk der Politik

1.2.2012, 09:00 Uhr
Bildungspaket: Nachhilfestunden als Geschenk der Politik

© Winckler

Im besten Fall kann Nachhilfe Kinder glücklicher machen: Wenn die Noten besser werden, macht die Schule wieder mehr Spaß und das Selbstbewusstsein wächst. Bildungsexperten beobachten die starke Nachfrage nach privatem Förderunterricht am Nachmittag dennoch mit Sorge: Denn die Nachhilfestunden sind, wie etwa aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht, kein Instrument für den Notfall mehr, mit dem Lücken kurzfristig ausgebügelt werden. Wer es sich leisten kann, nutzt Nachhilfe als eine Art begleitenden Zusatzunterricht, um die Chancen des Sohnes oder der Tochter dauerhaft zu verbessern. Der Übertritt aufs Gymnasium ist das Ziel, und später ein guter Abschluss.

Die Chancenungerechtigkeit des Bildungssystems nehme dadurch zu, warnen Experten, und so sieht es auch Fürths Schulreferent Markus Braun. Gebraucht werde ein Schulsystem, das den einzelnen Schüler bestmöglich fördert — und Nachhilfe weitgehend überflüssig macht.

Die Bundesregierung hat auf die Chancenungleichheit mit dem Bildungs- und Teilhabepaket reagiert, das im April 2011 in Kraft trat. Die Idee: Kinder aus ärmeren Familien sollen mit ähnlichen Erfahrungen aufwachsen wie ihre privilegierteren Freunde. So gibt es etwa Geld für den Sportverein oder Musikunterricht, aber auch fürs Mittagessen, damit Ganztagsschulen besucht werden können, für Klassenfahrten, damit niemand ausgeschlossen sein muss, und für Nachhilfe.

Schulreferent Markus Braun ist dankbar für das Instrument — auch wenn er weiß, dass es allenfalls gelingen wird, „etwas mehr Gerechtigkeit“ herzustellen. Denn der Lernförderung, die das Bildungspaket vorsieht, sind enge Grenzen gesetzt. Nur Schüler, bei denen bereits die Versetzung ins nächste Schuljahr gefährdet ist, bekommen über das Bildungspaket Geld für den Nachhilfelehrer. Aber: Es stehen keine Mittel zur Verfügung, um etwa aus Dreiern Zweier zu machen. Was zählt, ist die Einschätzung des Lehrers: Er muss den dringenden Nachhilfebedarf bestätigen. Auch ist die Lernförderung nur für eine begrenzte Zeit vorgesehen — wer versetzungsgefährdet bleibt, steht im Verdacht, nicht geeignet für die Jahrgangsstufe oder die Schulart zu sein.

Gemeinsam mit den Lehrern in den Fürther Schulen ist Markus Braun entschlossen, die Mittel der Bundesregierung bestmöglich zu nutzen. An einigen Schulen sollen Lerngruppen entstehen, geleitet von Sozialpädagoginnen, die „in enger Abstimmung mit den Lehrkräften stehen“ und dadurch wissen, „was die Schüler brauchen“.

Sonja Dollhopf und Petra Sinterhauf, die zuvor an der Rosenschule eingesetzt waren, haben in den vergangenen Wochen ein Konzept erarbeitet und den Kontakt zu Eltern gesucht. An der Grundschule Kirchenplatz haben sie nun mit zwei Lerngruppen losgelegt, bald sollen Gruppen an weiteren Grund- und Mittelschulen folgen. „Wir wollen kurze Wege für die Schüler schaffen“, sagt Braun.

"Ein Bürokratiemonster"

Daneben steht es den Kindern aber auch offen, sich für private Nachhilfelehrer oder -institute zu entscheiden oder auch für die Tutoren, die es an manchen Schulen gibt. Die Lerngruppen sind laut Braun als Ergänzung zu diesen Angeboten gedacht. Wie viele Stunden pro Woche bezahlt werden, richtet sich nach der Empfehlung des Lehrers. Maximal zehn Euro zahlt die Stadt, die das Geld aus dem Topf der Bundesregierung verwaltet, für 45-minütigen Unterricht in einer Kleingruppe. Damit die Schüler möglichst intensiv gefördert werden, dürfen der Gruppe nicht mehr als fünf Kinder angehören. Auch die Lerngruppen an den Schulen sind so konzipiert. „Ich habe das Gefühl, dass wir damit auf einem guten Weg sind“, sagt Claudia Meier-Niklis, Rektorin der Grundschule am Kirchenplatz.

Für eine gute Sache hält man die Zuschüsse aus dem Bildungspaket auch in den Nachhilfeinstituten. Allerdings wundern sich Christine Bratenstein, Leiterin der Schülerhilfe in Fürth, und Anke Mattern-Davis, Büroleiterin des Studienkreises, darüber, dass erst jeweils drei berechtigte Kinder zu ihnen gekommen sind. Mattern-Davis immerhin ahnt, woran es liegt: Das Paket, sagt sie, sei ein Bürokratiemonster. Hin und her würden die Formulare wandern: „Bei manchen Schülern brennt es dann schon.“

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