Bühnen der alltäglichen Tragödien

29.11.2018, 10:14 Uhr
Bühnen der alltäglichen Tragödien

© F.: Thomas Scherer

Und wieder ist der kleine MUK-Raum in der Pinderpark-Ladenpassage, die sich keineswegs als Kunst-Elysium definiert, ein bisschen kleiner geworden. Dass Kuratorin Gisela Hoffmann unverdrossen bleibt, mag damit zu tun haben, dass auch in der Mini-Schachtel der Zirndorfer Kunstfreunde Großes wachsen und gedeihen kann.

"Fotografie im Spannungsfeld zeitgenössischer Kunst" war der Studienschwerpunkt der aktuell "Auf AEG" residierenden Künstlerin Juli Sing, die sich an der FH Vorarlberg in Dornbirn sowie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ihr Rüstzeug holte. Was wir wirklich beim Sehen sehen, ist Sings großes Ding. Hier etwa: Das Meer und ein (konstruierter) Horizont in zweifacher Ausführung, links schwarz-weiß, rechts mit kühler Farbigkeit. Die Assoziationsangebote anno 2018 sind diesen Arbeiten eingebrannt, sichtbar-unsichtbar. "Man kann", sagt sie, "in diesen Zeiten nicht mehr aufs Meer schauen, ohne das Schicksal der Flüchtlinge nicht auch zu sehen". Das Meer als (leere) Bühne einer beinahe täglichen Tragödie.

Erschütterte Gesellschaft

Eine der größten Tragödien in Norwegens Geschichte ereignete sich am 22. Juli 2011, als Anders Breivik im Osloer Regierungsviertel eine Autobombe zündete, bevor er nach Utøya übersetzte. Sing war vor einigen Monaten dort und dokumentierte in 19 Arbeiten den Zwischenzustand der noch immer nicht wieder instandgesetzten, teils unter Planen ruhenden Bauten — Zeugnis einer erschütterten Gesellschaft. In Zirndorf schuf Sing eine Installation; in einer vertikal postierten Pressspanplatte ist ein Bildschirm — er zeigt ihre Oslo-Fotos — versenkt, während am Boden, eingehüllt in eine Plane, ein zweiter digitaler Bilderrahmen Agenturfotos von jenem Horrortag bannt.

Meditativ wirkt da jene Reihe von Fotogrammen — direkt belichtetes Fotopapier —, mit der Sing "Abdrücke des Gewesenen" dokumentiert und dem Belichtungs-Vorgang seine eigentümlich archaische Würde zuteil werden lässt. Sehr ästhetisch, sehr raffiniert.

ZSiehe "Fürther Kunststücke" auf dieser Seite

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