Cadolzburg: Die Eichensäule trug alle Hoffnung

1.1.2017, 10:00 Uhr
Cadolzburg: Die Eichensäule trug alle Hoffnung

© Clemens Helldörfer

Die Geschichte der Eichensäule kennt jeder, der schon einmal im Gefolge Helmut Krämers durch die Burg ging. Und das waren etliche. Der ehrenamtliche Burgführer der Marktgemeinde hat darüber Buch geführt und auch die Zahl der Menschen notiert, die ihm zuhörten. 1365 Gruppen waren es, knapp 30 000 Besuchern hat er erzählt, was es mit dem kunstvoll bearbeiteten Vierkant mit den abgeschrägten Kanten, der seit 1992 in der Fürstenkapelle lag und seines Einbaus harrte, auf sich hat.

„Wiebke“ lieferte den Stamm

Und das war so: Es mag etwas voreilig gewesen sein, als die Schlösserverwaltung bereits 1990 – damals ging es vorrangig noch um die Sicherung vorhandener Bausubstanz, an den Einbau der Eichensäule im gleichnamigen einstigen Prunksaal im zweiten Obergeschoss des Alten Schlosses war zu dem Zeitpunkt noch gar nicht zu denken – ein Rundschreiben an Bayerns Forstbehörden sandte, sie suche einen Eichenstamm, fünf Meter lang und ohne Ast. Doch sie sollte prompt Antwort erhalten. Im Aschaffenburger Schlosspark lag ein passendes Exemplar, frisch umgehauen von Sturm „Wiebke“.

Cadolzburg: Die Eichensäule trug alle Hoffnung

© Foto: Thomas Scherer

Ein Holzbildhauer aus Oberammergau bearbeitete das 250 Jahre alte Stück nach der Vorlage historischer Bilder. Am 28. September 1992 wurde die Säule angeliefert. Dabei kam es zu einem Vorfall, der in Cadolzburg unvergessen ist: Wegen der Bauarbeiten standen im Innenhof die Kräne. Einer sollte die Säule durch die Fensteröffnungen in die Fürstenkapelle hieven. Die Arbeiter griffen zu Ketten, um das Prachtstück am Ausleger festzumachen. Der damalige Bauleiter sah’s und ihm blieb – die drohenden Druckstellen ahnend, die die metallenen Kettenglieder unweigerlich ins Holz der schweren Säule pressen würden – vor Schreck das Herz stehen. Buchstäblich. Dem Mann war nicht mehr zu helfen. Er starb noch auf der Baustelle. „Das war damals wochenlang Ortsgespräch“, so Krämer. Die Säule kam unbeschadet in ihr Zwischenlager, die Arbeiter verwendeten Spanngurte.

Ein paar Wochen später tauchte der Oberammergauer Bildhauer auf, um letzte Feinheiten an seinem Werk zu erledigen. Und klärte Krämer darüber auf, dass es sich nicht etwa um die Lilie der Bourbonen, sondern um ein uraltes Symbol der Holzschnitzer handle, das die Säule an deren geschnitztem Kapitell ziert. Doch es war nicht nur ein Zeichen des holzbearbeitenden Handwerks, sondern auch anderer Gewerke, wie Krämer deutlich macht, indem er den Blick wenige Meter weiter auf einen Schlussstein im Kreuzgratgewölbe des angrenzenden Erkersaals lenkt: Auch dort findet sich die Lilie. Krämer ist mit der Burg vertraut wie kein anderer. „Ich kenn’ hier jeden Stein“, sagt er.

Seit Juni 2014 läuft der abschließende Ausbau, den Krämer natürlich mit Interesse verfolgt und hinter dem er, wie er sagt, „zu 100 Prozent steht“. „Und wenn meine Cadolzburger wissen wollten, wie weit die Burg ist, fragten sie mich immer: ,Steht die Säule schon?‘“ Sie war nicht nur für Krämer das Symbol der Hoffnung auf den Wiederaufbau der Burg.

Blickfang im Prunksaal

Nun also steht sie wieder. Sie hat zwar im Gegensatz zu einst keine tragende Funktion mehr für Decke und Dach, doch sie macht sich wunderbar unter der rekonstruierten Holzdecke des lichten Saals mit den großen Fenstern, der eine Ahnung davon vermittelt, wie schön es hier einst war – allerdings bei weitem sicher nicht so warm (wofür die frisch eingebaute Fußbodenheizung sorgt), sondern eher ungemütlich zugig. Als Krämer das erste Mal hier stand, pfiff ihm der Wind um die Ohren. Über ihm war gähnende Leere. In der Ruine der noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ausgebrannten Burg hatte er ungehinderten Blick zum Himmel.

Cadolzburg: Die Eichensäule trug alle Hoffnung

© Archivfoto: Winckler

Vor 55 Jahren hat Krämer seine Frau kennengelernt, eine gebürtige Cadolzburgerin. Mit ihr verlegte der Nürnberger seinen Wohnsitz in deren Heimatort. Sein Schwiegervater, selbst Feuerwehrkommandant, legte ihm damals nahe, einem Verein beizutreten, um heimisch zu werden. Krämer, der in Nürnberg mit dem Abenteuerspielplatz der zerbombten Kaiserburg aufgewachsen war, entschied sich für den Heimatverein. Und gab bald sein Ehrenamt als Stadtführer in der Noris auf zugunsten seines Engagements für die Cadolzburg.

Heute ist er ob seiner Verdienste für die Burg hoch dekoriert: Er war einer der ersten, die die Cadolzburger Bürgermedaille erhielten, bekam den Ehrenbrief des Bezirks Mittelfranken und vom bayerischen Ministerpräsidenten gab es das Ehrenzeichen obendrauf. Gewissermaßen geadelt ist er auch seitens der Schlösserverwaltung, sie gewährt ihm Schlüsselgewalt über die Burg. Von der evangelischen Kirchengemeinde wurde der Katholik 2003 ungefragt zum Beauftragten für die damals eingerichtete Kapelle bestimmt, seitdem schließt er Hochzeitspaaren für die Trauung den heimeligen Andachtsraum auf.

Und wenn Krämer mit seinen 73 Jahren jetzt davon schwärmt, „dass ich das noch erleben durfte, dass die Säule steht“, ist das nicht so einfach dahingesagt. Dreieinhalb Jahre quälte ihn eine schwere Krankheit. Dieser Tage antwortet er, nach seinem Befinden gefragt, er habe fast ein schlechtes Gewissen, so gut gehe es ihm. Umso mehr kann er es genießen, dass sich nun abzeichnet, was sich er und viele Cadolzburger wünschten –, dass ihr Wahrzeichen nun tatsächlich öffentlich zugänglich wird.

Keine Kommentare