„Da wird der Spieler fast zur Ware“

27.1.2012, 12:13 Uhr
„Da wird der Spieler fast zur Ware“

© Bald

Herr Hörtnagl, ab welchem Alter und in welchem Umkreis werden Spieler von der SpVgg gesichtet?

Hörtnagl: Das beginnt bei den Acht- bis Zehnjährigen mit Sichtungsmaßnahmen und Probetrainings. Aber diese Spieler kommen aus der näheren Umgebung. So richtig fängt es erst im Alter von 15 oder 16 Jahren an. Dann kann es auch sein, dass die Jugendlichen von weiter weg zu uns stoßen und in das Internat eingegliedert werden. Vorher kommt das für uns nicht in Frage. Die maximale Heimatentfernung für einen Spieler beträgt derzeit etwa 200 Kilometer.

Welche Auswahlkriterien legen Sie da zugrunde?

Hörtnagl: Wir versuchen, alles zu berücksichtigen. Neben Talent und gesundheitliche Voraussetzungen achten wir auf den Charakter und das soziale Umfeld. Wir bieten den Jungs die Chance, sich nicht nur als Spieler, sondern auch als Persönlichkeit zu entwickeln. Sie sollen lernen, ihre Ziele mit Disziplin, Willensstärke und Beharrlichkeit zu erreichen. Wichtig ist aber auch, den Spaß am Fußball zu erhalten.

Wie bewerten Sie die Rolle der Eltern? Manche ordnen ja alles dem Ziel unter, ihren Sohn zum Profi zu machen.

Hörtnagl: Es ist ja schön, wenn die Eltern mitfiebern und ihr Kind unterstützen. Aber wichtig ist auch, dass sie im Hintergrund bleiben und auf die Entwicklungsfähigkeit ihres Kindes und die Arbeit der Trainer und Betreuer vertrauen. Das ist ein komplexes Thema. Viele Talente wurden schon hochgejubelt und konnten dann den übersteigerten Erwartungen nicht gerecht werden.

Wie wichtig sind in diesem Alter die Spielerberater?

Hörtnagl: Die meisten jungen Spieler haben neben ihren Eltern bereits einen Berater, sobald es um die ersten Verträge geht. Es gibt inzwischen einige, die sich auf die ganz jungen Talente spezialisiert haben. Manche Spieler werden uns von ihnen angeboten, ohne dass wir sie vorher gescoutet haben. In der Regel laden wir die Spieler dann zu einem Sichtungs- oder Probetraining ein.

Wie sieht die Betreuung der Jugendlichen im Alltag aus? Reagiert der Verein, wenn die Leistung in der Schule nachlässt?

Hörtnagl: Wir haben Ansprechpartner in den Schulen und werden über Probleme in der Regel informiert. Wir versuchen dann, die Probleme in Gesprächen mit Lehrern, Eltern und dem Spieler zu lösen. Wir sind ständig damit beschäftigt, diese Rahmenbedingungen zu verbessern.

Gibt es Spieler, die ihre fußballerische Ausbildung abbrechen?

Hörtnagl: Es kann vorkommen, dass sich die Gesamtbelastung als zu groß erweist. Um so etwas zu vermeiden, sprechen wir diese Gefahr schon im Vorfeld an. Daher kommt es bei uns selten vor. Andernorts, gerade bei 12- oder 13-Jährigen, können schon mehr Probleme auftauchen.

Was halten Sie grundsätzlich davon, dass so junge Spieler über derart große Entfernungen den Verein wechseln?

Hörtnagl: Wenn ein Spieler mit 12 oder 13 Jahren von einem Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten über 500 Kilometer ins andere wechselt, frage ich mich schon, was dahinter steckt. Die Infrastruktur der großen Vereine ist hervorragend und unterscheidet sich kaum in ihrer Qualität. Da können aus meiner Sicht wohl nur finanzielle Interessen den Ausschlag geben. Das ist unmoralisch und wird der Entwicklung eines jungen Spielers nicht gerecht. Er wird damit fast schon zur Ware. Aber es wird wohl immer wieder vorkommen, weil es schwer zu vermeiden ist.

Der Markt ist also offensichtlich da. Wie behauptet sich die SpVgg unter diesen schwierigen Bedingungen?

Hörtnagl: Wir wollen vor allem die sportliche Perspektive und unseren ganzheitlichen Ansatz aufzeigen. Das versuchen wir in den Gesprächen den Spielern und Eltern zu vermitteln. Verhältnismäßig viele Talente schaffen bei uns den Sprung in den Profibereich. Von daher herrscht bei uns eine hohe Durchlässigkeit.

Werden wir in Zukunft öfter von solchen Kindertransfers lesen?

Hörtnagl: Ich fürchte, diese Entwicklung ist nur schwer zu stoppen. Die Verbände bemühen sich derzeit um eine Begrenzung, indem bei internationalen Transfers bis 18 Jahren unter anderem die Ausbildungsentschädigung drastisch angehoben wurde. Es ist schwer vorherzusagen, wie sich das innerhalb Deutschlands entwickeln wird.

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