„Da wollte jemand unbedingt den Titel“

18.2.2011, 22:00 Uhr
„Da wollte jemand unbedingt den Titel“

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Natürlich können Fehler passieren. Oberbürgermeister Thomas Jung erinnert sich noch gut an die Zeit, als er an seiner Doktorarbeit schrieb. Vor 23 Jahren war das, er arbeitete schon als Rechtsanwalt, und es ging um die Frage, ob es eine Waffengleichheit vor Gericht gibt; ob also eine Putzfrau die gleichen Chancen hat, einen Prozess zu gewinnen, wie ein Millionär. Nächtelang habe er in der Bibliothek gestanden und die Fachliteratur kopiert - um dann weitere Nächte damit zuzubringen, das Gelesene in seinen Text einzuarbeiten.

„Dass am Ende zwei, drei kleine Zitate ohne Fußnote bleiben, kann vorkommen“, sagt er. Aber von kleinen Schlampereien könne man angesichts der Passagen, die Guttenberg abgeschrieben haben soll, nicht mehr sprechen, „jeder Schüler am Gymnasium würde dafür eine Sechs bekommen.“ „Völlig ausgeschlossen“ sei es, dass der vielbeschäftigte Minister, der Jung noch im Januar beim Neujahrsempfang der Fürther CSU „mit seinem wirklich adligen Auftreten“ beeindruckt hatte, nur den Überblick verloren und übersehen habe, wie viel fremdes Gedankengut offenbar in seiner Arbeit steckt. „Da wollte jemand unbedingt den Titel“, mutmaßt Jung.

Einen Titel, fügt der OB schmunzelnd hinzu, den man doch gar nicht brauche, „wenn man so viele Namen hat wie er.“ Dass die vielen Namen vielleicht sogar hilfreich gewesen sein könnten auf dem Weg zur Bestnote, kann sich unterdessen Stadtheimatpfleger Alexander Mayer vorstellen. „Wenn so ein adliger, bekannter Mann nachträglich seinen Doktor machen will, ist das so eine Sache.“

Mit Interesse habe er am Donnerstag mehrere Sendungen zum Thema im Deutschlandfunk verfolgt — und gestaunt: „Dass das den drei Gutachtern nicht aufgefallen ist...“ Mayers Urteil ist eindeutig: „Wenn das stimmt, dass da ganze Absätze übereinstimmen, dann ist das unredlich.“

"Ich bin eher ein Angsthase"

Schließlich handle es sich „nicht um einen Schüleraufsatz oder einen Roman, sondern eine wissenschaftliche Arbeit, auf der andere aufbauen.“ Sollten die Vorwürfe zutreffen, „sollte Guttenberg es sich schon überlegen, ob er als Minister noch geeignet ist“, findet Mayer, der selbst 1992 mit einer politikwissenschaftlichen Arbeit promovierte. Um das so genannte "Gefangenendilemma" ging es darin - und die Frage, ob Kommunen im Fürther Landkreis zuerst an das Wohl der eigenen Stadt oder das des gesamten Kreises denken.

Frischer sind die Erinnerungen an die Zeit der Doktorarbeit bei Fürths Kämmerin Stefanie Ammon, die sich 2005 über den Titel freuen durfte, mit einem rund 200 Seiten dicken Werk aus dem Bereich Organisationspsychologie. „Ich habe damals meine gesamte Freizeit reingesteckt." Auch, um sicherzustellen, dass jedes Zitat in Anführungsstrichen steht. Dass man bei ihr Passagen finden könnte, die unbelegt sind, kann sie sich nicht vorstellen. „Ich bin eher ein Angsthase“, sagt sie, „ich hätte viel zu viel Sorge, dass ich etwas übersehen habe.“

In Bezug auf den Minister will Ammon fair sein und erinnert an den Grundsatz „in dubio pro reo“: Guttenberg ist unschuldig, solange seine Schuld nicht bewiesen ist.

Und die Ergebnisse der ehemaligen Fürther Doktoranden? Thomas Jung kam zum Schluss, dass der Richter ausgleichend wirken müsse, damit die Putzfrau gegen ihren Konzern eine Chance hat. Alexander Mayer bemerkte, dass sich Zirndorfs Bürgermeister in einer Entscheidung quasi "egoistisch" vom Wohl der Stadt Zirndorf hat leiten lassen. Und Stefanie Ammon fand heraus, dass Mitarbeiter von Behörden gleich gut oder schlecht motiviert sind wie die von Unternehmen. Den großen Unterschied gibt es demnach auf anderer Ebene: zwischen Sacharbeitern und Führungskräften.

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