Das gefühlte Sparen

24.5.2011, 08:00 Uhr
Das gefühlte Sparen

© Thomas Scherer

Wenn Matthias Hüttmann übers Energiesparen spricht, fallen immer wieder Begriffe wie Gewissen und Gefühl. Hüttmann klingt dann mitunter wie ein Psychologe. Der 47-jährige Puschendorfer aber ist Ingenieur für Energie- und Wärmetechnik und Vizepräsident des Verbraucherschutzverbandes Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Unter anderem befasst er sich mit der unliebsamen Erscheinung der Rebound- oder Bumerang-Effekte.

Gemeint ist, dass Einsparungen, die durch effizientere Technologien entstehen, durch vermehrten Konsum überkompensiert werden. Hüttmann veranschaulicht das an einem Beispiel: „Man kauft einen neuen Kühlschrank, Energieeffizienzklasse A++, aber man kauft ihn größer als den alten.“ Die Folge: Der Neue frisst womöglich unwesentlich weniger Strom. Wer dann noch den alten Kühlschrank in den Keller stellt, damit der im Sommer das Bier kalt hält, benötige nachher sogar mehr Strom. Als er noch studiert habe, sagt Hüttmann, in den 90er Jahren, wurde der Energieverbrauch der Durchschnittsfamilie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern auf 3500 Kilowattstunden taxiert. Heute liegt er bei mindestens 4500 Kilowattstunden. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg erklärt das, so Hüttmann, unter anderem mit immer größeren Wohnflächen, sinkenden Anschaffungskosten für Haushaltswaren und Elektronik und einer vermehrten Nutzung immer größerer Geräte.

„Wir haben heute viel, viel mehr Geräte als früher“, bestätigt Manfred Zischler vom Fürther Energieversorger infra. Konkret heißt das, dass in einem Haushalt mehrere TV-Geräte stehen und nicht nur eins, oder dass Familien, die mit einem einzigen Telefon auskommen, Exoten sind. Üblich sei längst ein Festnetztelefon, oft mit zwei Ladestationen, die beide Strom ziehen. „Und dann hat ja nicht selten jedes Familienmitglied noch ein Handy – plus Ladegerät.“ Ein Ladegerät verbrauche zwar „nicht die große Menge an Energie“, räumt Zischler ein. „Aber die Masse macht’s“.

Hinzu kommt das trügerische Phänomen des „gefühlten Energiesparens“, sagt Hüttmann. Demnach hat, wer sich ans Steuer eines Vier-Liter-Autos setzt, ein gutes Gewissen. Die Folge sei ein sorgloserer Umgang mit dem Wagen. „Man fährt dann eben mehr Kilometer als mit der alten Spritschleuder, in der man immer ein schlechtes Gewissen hatte.“

Direkte Rebound-Effekte machen – das schätzen Experten nach Hüttmanns Erkenntnissen — bis zu 30 Prozent der Energieeinsparung zunichte, die eine effiziente Technik bringen würde. Dazu kommen indirekte Bumerang-Effekte, wonach das gesparte Geld an anderer Stelle ausgegeben wird — etwa für einen Wochenendtrip nach Mallorca. Das verdirbt die Ökobilanz erst recht. Hüttmann hält wenig davon, beim Energiesparen Wasser statt Wein zu predigen. Das Wort „Verzicht“, das wie bei einer Diät Freudloses verheißt, habe da nichts verloren. „Meist muss man ja nicht verzichten, sondern sich nur fragen, ob das jetzt wirklich sein muss.“ Wer sich beim Stromverbrauch selbst auf die Schliche kommen will, dem rät er zu einem Spiel: „Versuchen Sie mal, ihren Stromzähler zum Stehen zu bringen. Ziehen Sie alle Stecker, die Ihnen einfallen.“ Das Rädchen am Zähler, da ist Hüttmann sicher, werde sich weiter drehen, bis einem noch ein Stecker einfällt und noch einer...

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