Das Hohelied der perfekten Linie

14.12.2017, 17:00 Uhr
Das Hohelied der perfekten Linie

© Foto: Thomas Scherer

Wie schaut man sich eine zeichnerische Vierer-Kette wohl am klügsten an? Häppchenweise? Mal hier ein Porträt betrachten, dann dort was Tierisches? Die Methode erscheint verwirrend, also doch lieber der Reihe nach die Arbeiten im Foyer des Stadttheaters ablaufen.

Stephan Klenner-Otto, der sich mit literarischen Themen einen Namen gemacht hat, zeigt Arbeiten, die sich auf wunderbar skurrile Weise einer Reihe von fantastisch anmutenden Natur-Themen annehmen. Da ist etwa seine mit üppigen Details gearbeitete Radierung von den "Kopfweiden". Der Betrachter bekommt exakt das, was der Titel verspricht: Laubgehölze mit unverblümtem Mienenspiel genau dort, wo die gemeine Wald- und Wiesenweide bloß einen Stamm vorweisen kann.

Im Vordergrund hat ein Prachtexemplar Wurzeln geschlagen, dessen Gemütsregungen eher stoischer Natur zu sein scheinen. Das Mienenspiel weist allenfalls auf eine gewisse Resignation hin. Die Kollegen, die rechts und links davon mit kahlem Geäst auf den nächsten Frühling warten, haben dagegen die Fassung verloren: Sie strecken einander die Zunge heraus.

Eine wahre Pracht ist "Lotte", die Farbradierung von Andreas Rudloff explodiert förmlich in allen denkbaren Nuancen von Rot und zeigt – ein stolzes Huhn. Feinfedrig, delikat gearbeitet und mit viel Gefühl in Szene gesetzt. Jedwedes Getier ist bei Rudloff in guten Händen, wird feinfühlig auf seine privatesten Charakterzüge untersucht und beinahe zärtlich porträtiert. "Eigentlich ganz lieb" steht dann auch erklärend als Titel bei einem Vieh mit gewaltigen Hörnern, das auf den ersten Blick eher an einen Berserker denken lässt als an ein Kuscheltier.

Treffpunkt Küche

Intime Blicke in fremde Leben offeriert der Schweizer Diego Bianconi gerne mal. Zum Beispiel in der Küche, die zum Treffpunkt für zwei Frauen geworden ist. Spüle, Kühlschrank, Mixer. Alles vorhanden, was erwartet werden darf. Allein die Tatsache, dass die beiden Hauptdarstellerinnen nackt sind, wirkt etwas verstörend. Immerhin, eine von beiden trägt eine zierliche Schürze, die andere hat sich einen Spiegel unter den Arm geklemmt.

Was sie tun? Das bleibt der Kreativität der Außenstehenden überlassen. Gilt natürlich auch für die Szene "Im Bade", die zumindest klar werden lässt, dass sich dieser Ort nicht bloß zum Zähneputzen eignet. Spannend sind nicht zuletzt die Perspektiven, die der Künstler gewählt hat. Mal scheint sein Blick Mauern zu durchdringen, mal schwebt er offenbar unter der Decke. Der Effekt bleibt stets auf eine unterschwellige Art verstörend.

Das Hohelied der perfekten Linie offenbart ein paar Schritte weiter Peter Thiele. Hier sucht einer in der Reduktion die Vollendung. Eine Vorgehensweise, die Nebensächlichem von vornherein einen Verweis erteilt und dem Dargestellten in jedem Detail Bedeutung zuordnet.

Thiele hat keine Furcht vor ungestaltetem Raum. Er komponiert jedes seiner Sujets mit spürbarem Sehnen nach Gleichgewicht und stimmigen Verhältnissen. Doch das geschieht stets im endlosen Weiß des Bildgrundes. Seine Objekte scheinen ohne Verankerung auf diesem blanken Nichts zu schweben. Sie sind aus Raum und Zeit gefallen – feinsinnige Standpunkte, die auch ohne festen Untergrund bestehen.

ZSiehe "Fürther Kunststücke" auf dieser Seite.

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