„Das ist bei mir ein Halbtagsjob“

16.4.2014, 16:00 Uhr
Der Stadtratsjob ist vielseitig für Harald Riedel, wie hier beim Ortstermin im Knoblauchsland zum Thema S-Bahnbau.

© Hans von Draminski Der Stadtratsjob ist vielseitig für Harald Riedel, wie hier beim Ortstermin im Knoblauchsland zum Thema S-Bahnbau.

Es gibt Stadträte, die sich so gut wie nie zu Wort melden. Der wieder gewählte Claus-Uwe Richter von den Republikanern ist einer von ihnen. Keinen Antrag, keine Anfrage hat der Rechtspopulist im vergangenen Jahr in die Stadtratsdebatte eingebracht. Null. Spitzenreiter dagegen mit 58 Anfragen und Anträgen waren die Grünen. Viele davon hat Harald Riedel erarbeitet. Er ist einer jener Kommunalpolitiker, die besonders viel Zeit in ihr Ehrenamt investieren.

Vormittags sitzt der Grünen-Stadtrat am Schreibtisch, telefoniert, recherchiert, reagiert auf E-Mails, korrespondiert mit Fraktionskolleginnen, schreibt Pressemitteilungen. An oft zwei Nachmittagen pro Woche sitzt er im Stadtrat oder flankierenden Gremien. Montags steht die Fraktionssitzung an, dazu kommen Arbeitstreffen mit Initiativen, Verbänden, Vereinen, Netzwerken und die eine oder andere Besichtigung aktueller Bauprojekte. Der Stadtratsjob, sagt Riedel, „ist bei mir ein Halbtagsjob“.

805 Euro, sozialversicherungsfrei und zum Teil einkommensteuerpflichtig — findet er das angemessen? Riedel lacht. „Eigentlich nicht.“ Doch der 46-Jährige weiß: Er ist eine Ausnahme. Mit einem Vollzeitjob und Familie wäre das so kaum zu schaffen. Doch der ausgebildete Umweltberater, der seiner Partei vor 28 Jahren beigetreten ist und sich einen politischen „Überzeugungstäter“ nennt, ist ledig und kinderlos. Zwei Teilzeit-Jobs hat er um sein Stadtratsengagement herum gruppiert.

Seinen Lebensunterhalt verdient er in der laufenden Legislaturperiode als Fraktionsgeschäftsführer und als Objektbetreuer einer kleinen Wohnanlage, in der er auch Eigentümer ist. Dann sind da noch die Aufwandsentschädigung für sein Ehrenamt als Stadtrat — und auch die Sitzungsgelder, die jetzt neu geregelt werden sollen.

Zum Verständnis: Für Angestellte und Arbeitnehmer unter den ehrenamtlichen Stadträten — Beamte sind ausgenommen — gibt es eine Verdienstausfallentschädigung, die sich nach dem Gehalt der Betroffenen richtet. Das Geld bekommen nicht sie selbst, sondern ihre Arbeitgeber. Dahinter steht der Gedanke, dass Firmen ein Verdienstausfall entstehen kann, wenn sie ihre Leute früher gehen lassen, damit die an Stadtrats- und Ausschuss-Sitzungen teilnehmen können.

Nach Angaben von Uwe Bauer, der im Rathaus für Stadtratsangelegenheiten zuständig ist, hat die Stadt 2013 fünf Arbeitgebern knapp 5700 Euro für Verdienstausfälle bezahlt. Dazu ist sie verpflichtet, an dieser Regelung soll sich auch nichts ändern.

Genervt vom Papierkrieg

Anders verhält es sich mit den Ausgleichszahlungen für Selbstständige, manche Teilzeitbeschäftigte sowie Rentner und Hausfrauen. Man geht davon aus, dass auch ihnen Nachteile entstehen, dass während ihrer mandatsbedingten Abwesenheit im Büro oder daheim Arbeit liegen bleibt, dass Kinder zu betreuen sind, womöglich eine Hilfskraft engagiert werden muss...

Die Thematik sei hochkompliziert, sagt Bauer. Bundesweit gebe es ein „Tohuwabohu“ an Richtersprüchen zu allen möglichen Einzelfällen. Die Hauptsatzung der Stadt Fürth sieht bisher vor, dass der besagte Personenkreis auf Antrag prinzipiell pro Sitzungsstunde 13 Euro erhält. Die Betroffenen müssen Formulare mit den Eckdaten der jeweiligen Sitzung ausfüllen, die die Verwaltung dann mit den offiziellen Protokollen abgleicht.

Ob tatsächlich Babysitter oder andere Helfer engagiert wurden, so Bauer, bleibe ungeprüft. 14 Stadträte nutzten das Angebot 2013. Zusammen erhielten sie 13600 Euro, im Schnitt knapp tausend Euro pro Person.

Bauer ist über die Regelung nicht froh. Er stört sich am „Papierkrieg“ und mancher Ungerechtigkeit. So werde beispielsweise der Zeitverlust von Stadträten mit Gleitzeitregelung im Job „geflissentlich ignoriert“, sagt er. Die Firma verlange in solchen Fällen keine Entschädigung, sondern verfahre nach dem Motto: Wenn du heute früher gehst, fängst du morgen früher an. Die Arbeitnehmer seien dann die Dummen, denn Anspruch auf Entschädigung hätten sie ja nicht.

Bauer hält das seines Erachtens weit verbreitete Problem Gleitzeit übrigens auch für einen Grund, warum so wenige Personen das Sitzungsgeld in Anspruch nehmen. Er möchte nun eine Pauschale einführen, von der alle Stadträte, auch die mit Gleitzeit, profitieren könnten, sofern sie nicht nach der Arbeitnehmerregelung abgerechnet werden. Sein Vorschlag: 25 Euro pro Person und Monat.

Erste Reaktionen von SPD und CSU fielen wohlwollend aus. In der Geschäftsordnungskommission des Stadtrats meinte Tobias Wagner (CSU), er finde „das Gießkannenprinzip okay“. „Und es erleichtert die Arbeit der Verwaltung ungemein“, merkte SPD-Fraktionschef Sepp Körbl an.

Harald Riedel hingegen ist empört, und das liegt nicht nur daran, dass ihn selbst die Pauschale „massiv treffen“ würde. „Ich verstehe nicht, warum der zeitliche Aufwand von der Vergütung entkoppelt werden soll“, moniert er. Es mache doch einen Unterschied, ob jemand im Kulturausschuss sitzt, der dreimal im Jahr eine Stunde tage, oder, wie er, im Bauausschuss, der elfmal tage, und dann oft doppelt so lang.

Hinzu komme, dass die beiden Einzelstadträte im neuen Stadtrat, Kurt Georg Strattner (FDP) und Claus-Uwe Richter (Rep), unter Umständen künftig keinem einzigen Ausschuss angehören werden. Riedel: „Ich sehe nicht ein, dass ein Herr Richter dann für vielleicht eine Sitzung im Monat genauso viel Lohnersatzleistung bekommt wie ich.“

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