Der Gardinen-Trick

30.5.2012, 11:00 Uhr
Der Gardinen-Trick

© Thomas Scherer

Herbert Stinzendörfer bittet ins Wohnzimmer, einen Ort, an dem es sich an diesem drückend heißen Sommertag aushalten lässt. Das zarte, blütendurchwirkte Gewebe der Gardinen hält das zudringliche Sonnenlicht charmant auf Distanz.

Auf dem Tisch vor der mächtigen Eckcouch liegt ein Büchlein. Es dreht sich um Schwarze Löcher, geheimnisumwobene Objekte, die durchs Universum rotieren. „Ach das.“ Stinzendörfer macht eine wegwerfende Handbewegung und lässt sich auf dem Sofa nieder. „Ein Hobby.“

Die Erforschung des Weltalls fasziniert den 55-Jährigen seit seiner Jugend. So kam er in den 1970er Jahren, damals absolvierte er eine Lehre zum Elektromechaniker, in Kontakt mit dem Thema regenerative Energien. Denn in der Raumfahrt, erklärt Stinzendörfer, werden Solarzellen zur Energieversorgung von Satelliten eingesetzt. Schalk blitzt aus den braunen Augen: „Man kann ja schlecht Kabel ins Universum legen.“

Heute ist das Energiesparen Stinzendörfers Beruf. Als Haustechniker sorgt er dafür, dass einige Nürnberger Schulgebäude samt Turnhallen optimal beheizt und gelüftet werden. Vorwiegend vom Laptop aus steuert und kontrolliert der Zirndorfer den Energieverbrauch. Kein Wunder, dass er den auch daheim genau im Blick hat.

Die großen Vorkehrungen sind getroffen: Das in die Jahre gekommene Zwei-Familien-Haus im Zirndorfer Ortsteil Lind, in dem Stinzendörfer das Ober- und seine 86-jährige Mutter Margareta das Erdgeschoss bewohnt, wurde 1997 gedämmt. Seitdem schluckt die Heizung weit weniger Öl, Mutter und Sohn verbrauchen im Jahr 1500 bis 1800 Liter für zusammen 150 Quadratmeter Wohnraum.

"Das Fenster ist ein Solarkollektor"

„Ich hab’s schon gern warm“, verrät der Hausherr. Trotzdem dreht er den Heizkörper im Wohnzimmer an manchen Wintertagen zeitweise sogar ab. Dann nämlich, wenn die Sonne durch die nicht bodentiefen, aber großzügigen Fenster hereinscheint. Die Gardinen schiebt er dann weit zur Seite, damit genau das geschieht, was sie heute eher verhindern: damit die Sonne ganz hereinkommt. Was selbstverständlich anmutet, erklärt Herbert Stinzendörfer so: „Das Fenster ist ja eigentlich ein Solarkollektor, nur macht der halt nicht Wasser warm, sondern das Zimmer. Und so, wie kein Mensch auf die Idee käme, seine Sonnenkollektoren auf dem Dach zuzudecken, ist es eben im Winter auch Blödsinn, Fenster zu verhängen.“

Stinzendörfer kann nicht in Zahlen ausdrücken, wie viel Energie er durchs Beiseiteziehen der Gardinen spart. Doch mit seiner alten Spiegelreflexkamera, die schon auf dem Tisch bereitliegt, tritt er den Beweis an, dass es keineswegs um Peanuts geht. Erst fotografiert er den Kirschbaum vor dem Haus durchs bloße Fensterglas, danach nimmt er den Baum durch das Gardinengewebe hindurch ins Visier.

Das Ergebnis: Im zweiten Fall verlangt die Kamera eine etwa doppelt so lange Belichtungszeit. „Das bedeutet, dass die Gardine nicht nur zwei oder drei Prozent vom Licht aussperrt, sondern eine Menge die weit im zweistelligen Prozentbereich liegt.“ Und auch, wenn Licht nicht dasselbe ist wie Wärme: „Es ist zumindest ein Indikator für das, was hier passiert.“

Tina Kienzl, Umweltexpertin der Verbraucherzentrale Bayern, meint dazu:

Die Sonne in der kalten Jahreszeit durchs Fenster hereinscheinen zu lassen, ist sinnvoll. Die Räume heizen sich dadurch spürbar auf. Moderne Fenster eignen sich als Heizungsunterstützung besonders gut. Im Vergleich zu alten Fenstern halten sie die Wärme besser im Raum. Übrigens: Verkleidungen, lange Vorhänge oder Möbel vor den Heizkörpern schlucken bis zu 20 Prozent Wärme.

Im Sommer dagegen kann es durch Sonnenlicht unangenehm warm werden. Deswegen Raumklimageräte einzusetzen, muss nicht sein. Besser ist es, den Lichteinfall in die Räume zu reduzieren — durch Fensterläden, Rollläden oder Jalousien, die außen am Haus angebracht sind.

Sind diese tagsüber geschlossen, steigt die Temperatur im Wohnbereich nur geringfügig. Reichliches Lüften in der Nacht senkt die Innentemperatur zusätzlich. Wer keine solchen Möglichkeiten hat, kann sich auch mit hellen Vorhängen behelfen, die das Licht reflektieren und teils wieder nach draußen leiten. Im Sommer wie im Winter ist eine gute Wärmedämmung des Gebäudes sehr wichtig. Wer hierzu Fragen hat, kann sich an die Energieberatung der Verbraucherzentrale wenden. Sie findet in Nürnberg dienstags von 15 bis 19 Uhr statt. Eine Terminvereinbarung unter der Telefonnummer (0911) 2426501 ist erforderlich.