Der privatisierte Dienst am Nächsten hat sich rundum bewährt

6.3.2015, 06:00 Uhr
Der privatisierte Dienst am Nächsten hat sich rundum bewährt

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Und es läuft rundum erfolgreich, wie Jörn Künne, als Pfarrer Roßtals und Vorsitzender des Diakonischen Werks einer der Wegbereiter der Kooperative, kurz vor der Jubiläumsfeier am Sonntag in Zirndorf bilanziert. Das klassische Angebot der ambulanten Pflege plus hauswirtschaftlicher Hilfe wurde immens ausgebaut — um Demenzarbeit, Essen auf Rädern oder den Hausnotruf. „Wer auf Hilfe im Alltag angewiesen ist, kann von uns alles aus einer Hand haben“, sagt Gertraud Döllfelder, die die Station in Zirndorf leitet. Aus einer kreisweiten Erhebung weiß sie, dass die Diakonie heute bei den Menschen im Landkreis Fürth an erster Stelle steht, geht es um die Pflege.

Dabei war der Start der wirtschaftlichen Einheit von vielen Ängsten begleitet: Die Pflegebedürftigen fürchteten, auf gewohnte Gesichter und Abläufe verzichten zu müssen. Die Mitarbeiterinnen bangten um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Und die in den Diakonievereinen vor Ort Verantwortlichen plagte die Sorge, ihre Interessen könnten im großen Sozialkonzern untergehen.

„Sehr komfortabel“

Doch nichts davon, sagt Döllfelder, ist eingetreten. Die Hoffnungen, die man in die Umorganisation setzte, hätten sich dagegen durchweg erfüllt. Kein Vereinsvorstand, der ehrenamtlich mit der Geschäftsführung der Sozialstation betraut war, muss mehr den Kopf hinhalten für Aufgaben, denen er angesichts des zusehends wachsenden Bedarfs, immer schärferer Auflagen und des enormen Kostendrucks in der Pflege gar nicht mehr gewachsen sein konnte.

Mit der Fusion wurden Verwaltungsaufgaben ans Diakonische Werk übertragen und in die Hände von gGmbH-Geschäftsführerin Ruth Papouschek gelegt. Sie kümmert sich um Personalverwaltung, Buchhaltung, Arbeitsrecht und Qualitätsmanagement. „Sehr komfortabel“ findet Döllfelder das, „so muss ich nicht mehr alles selber wissen, schließlich habe ich nicht Buchhalterin, sondern Krankenschwester gelernt“.

Die örtlichen Strukturen blieben gewahrt. Die Sozialstation vor Ort ist Ansprechpartner der „Kundschaft“ geblieben, lediglich wenn es um Gebührenerhöhungen geht, kommt ein Rundbrief aus Fürth. Nur einmal machte Papouschek den Fehler, ihre Telefonnummer für Rückfragen anzugeben. „Daraus hab ich gelernt.“ Ihr Telefon stand nicht mehr still.

Und nicht zuletzt ist die gGmbH enorm gewachsen: Von anfangs 70 Mitarbeitenden auf heute 230, die 750 Menschen betreuen, womit die Diakonie zum größten Anbieter ambulanter Pflege in Stadt und Landkreis Fürth wurde. Davon profitierten auch die Mitarbeiter. Ihr christlicher Arbeitgeber hat sich als zuverlässig bewährt, betriebsbedingte Kündigungen kennt die gGmbH nicht.

Rote Zahlen, in die die kleinen Sozialstationen zusehends abrutschten, sind Vergangenheit. Im Verbund schreibt die Gesellschaft die schwarze Null. Der eine oder andere Überschuss, der auch schon unterm Strich stand, kommt in jedem Fall den Menschen zugute, um die sich die Diakonie-GmbH kümmert, sagt Papouschek. Und die Nachfrage nach dem Leistungsspektrum „ist immens“, so Döllfelder. „Wir haben zwar keinen Aufnahmestopp, aber einen komplexen Fall, der drei, vier Hausbesuche am Tag erfordern würde, könnten wir nicht mehr annehmen.“ Daran ändere auch der Austausch unter den Stationen, der vor der Fusion undenkbar gewesen sei, nichts. „Den anderen Stationen fehlt es ja auch an Personal.“

Insoweit sucht die Diakonie händeringend Mitarbeiter. Und ist bemüht um die vorhandene Belegschaft: Geteilte Dienste, wie sie in der Natur der ambulanten Pflege liegen, versucht Döllfelder zu vermeiden. Im Gegensatz zu kleinen privaten Unternehmen lege man viel Wert darauf, tariftreu zu agieren, betont Künne. Im Schnitt ist die Belegschaft 45 bis 48 Jahre alt. Wer die Arbeit macht, wenn diese Generation in Rente geht, ist Papouschek ein Rätsel. Weshalb auch bei der Diakonie Überlegungen im Raum stünden, Fachpersonal im EU-Ausland anzuwerben. Doch vorerst setzt die Diakonie, die als erster ambulanter Dienst Bayerns Altenpfleger ausgebildet hat und aktuell acht Azubis beschäftigt, auf verstärkte Nachwuchswerbung etwa bei Ausbildungsbörsen und übers Internet.

Künne wirbt für einen Beruf, dem zu Unrecht noch immer ein Negativ-Image anhafte, „weil er über Jahrzehnte schlechtgeredet wurde“. So schlecht bezahlt wie allgemein angenommen, wird er nach Meinung Döllfelders auch nicht: Das Einstiegsgehalt liegt bei etwa 2600 Euro brutto.

Für Wiedereinsteiger

Auch Wiedereinsteigerinnen, die nach der Erziehungspause in den Beruf zurückkehren wollen, werden offenen Armes empfangen. „Ihnen kommen wir bei den Arbeitszeiten sehr entgegen“, erklärt Döllfelder. Und Fachfremden werden auch im fortgeschrittenen Alter Ausbildungswege eröffnet.

Papouschek ist studierte Betriebswirtschaftlerin. Zum Start der Fusion ist sie einmal eine Tour mitgefahren, jetzt war sie erneut dabei. Erschreckend war für sie die Erkenntnis, dass der Dokumentationsaufwand noch zugenommen hat. „Bei 20 Minuten Pflege braucht es 10 Minuten fürs Berichtswesen. Da stimmen die Gewichte einfach nicht“, findet sie. Doch darauf hat das Netzwerk der Diakoniestationen keinen Einfluss. Den großen Wurf einer umfassenden Reform, wie ihn die Große Koalition angekündigt hat, vermisst Papouschek nach wie vor. „Was kommt, sind immer nur Reförmchen, die sich die Politiker schönreden.“

Ihr Zehnjähriges feiert die Diakonie im Landkreis Fürth gGmbh am Sonntag, 1. März, 9.30 Uhr, mit einem Gottesdienst in der St.-Rochus-Kirche Zirndorf. Mit dabei sind Bayerns Diakonie-Präsident Michael Bammessel und der Gospel-Chor Oberasbach.

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