Der Seniorenarbeiter

10.4.2014, 06:00 Uhr
Der Seniorenarbeiter

© Kypta

„Ich kann hier nicht so herumsitzen“, dachte sich Wolfgang Meding kurz nach Antritt seiner Rente vor über zwölf Jahren. Der Aufruf des damaligen Bürgermeisters Claus Pierer zur Gründung eines Seniorenbeirats kam ihm da gerade recht. Meding war einer der ersten fünf, die sich meldeten.

Doch fünf Personen waren zu wenig für ein Team. Erst wenige Jahre später bei einem zweiten Aufruf, dieses Mal vom heutigen Bürgermeister Bernd Obst, konnte der Seniorenbeirat mit 20 Mitgliedern starten. Der Beirat entwickelte sich zu einem Erfolgsmodell: Der wöchentliche Seniorentreff ist ein Renner, das Gremium vertritt die Belange der Älteren in der Kommune und initiierte sogar ähnliches Engagement in den Nachbarkommunen.

Mit dem langjährigen Vorsitzenden wurde nun der Motor dieser Erfolgsgeschichte ausgezeichnet, zunächst mit der Landkreis-Medaille und jetzt mit der Cadolzburger Bürgermedaille. Ganz alleine steht Meding ungern im Rampenlicht. Er lobt bei der Ehrung seine Mitstreiter, ohne die der Seniorenbeirat „nicht möglich gewesen“ wäre, wie er betont. Meding taugt nicht als bloße charismatische Galionsfigur. Der Mikroelektroniker kümmert sich gern um die kleinen Dinge. Er ist ein Ehrenamtlicher, der sich Aufgaben sucht und keine Mühen scheut: „Wenn ich etwas sehe, das getan werden muss, dann tue ich das.“

Aus gesundheitlichen Gründen musste der Egersdorfer seinen Vorsitz nun aufgeben. Einen Nachfolger gibt es noch nicht: Seine Aufgaben sind zunächst auf sechs Personen verteilt, ein Zeichen für den Umfang seines Engagements. Meding selbst wird weiter Vorträge und Veranstaltungen für Senioren organisieren.

Der Cadolzburger Seniorenbeirat hat unter seiner Ägide Altenheime und Seniorenresidenzen getestet, die Informationen in das Altenhilfeinformationssystem (Ahis) des Landkreises eingespielt. Ein System aus Nachbarschaftshilfe vor Ort wurde installiert, bei dem sich die Älteren untereinander helfen. Auf seine Anregung wurden Bürgersteige abgesenkt, die Friedhofstoiletten renoviert oder Bänke zum Ausruhen installiert. In Gesprächen mit den Firmen wurden die neuen Einkaufsmärkte am Ortseingang seniorengerecht gebaut.

Wie allerorten steigt die Zahl der über 60-Jährigen in der Kommune. Der Seniorenbeirat hat für diese Menschen einen Treffpunkt geschaffen: Jeden Mittwoch findet der Seniorentreff bei Kaffee und Kuchen statt. „Wir haben immer ein volles Haus in der Haffnersgartenscheune“, berichtet Meding von seinem Lieblingsprojekt. Einmal pausierte der Treff in den Ferien, schon wurde der Wanderfreund beim Einkaufen angesprochen: Der Seniorentreff wurde vermisst.

In Seniorentreff und Seniorenbeirat treffen viele unterschiedliche Typen zusammen. Dass es auch Meinungsverschiedenheiten gibt, ist eine logische Begleiterscheinung. „Unser Vorsitzender hatte es nicht immer leicht mit uns“, erzählt Marianne Bauer, die sich in den Arbeitsgruppen des Seniorenbeirats engagiert.

Doch mit einer guten Portion Harmoniebedürfnis setzte sich der Engagierte durch, unschöne Zwischenrufe verstummten. Ausreichend Lebenserfahrung für ein turbulentes Amt brachte Meding mit: Als Sechsjähriger erlebte er die Bombenangriffe der Alliierten in Berlin. Seine Familie musste nach Unterfranken umziehen, er verlor alle Verwandten im Krieg. „Sehr tolerant und nachdenklich“ hätten ihn die schwierigen Momente seines Lebens gemacht, sagt er heute.

Nach einer Ausbildung zum Mechaniker zog es Meding zum Studium wieder nach Berlin. Der inzwischen zweifache Vater ließ sich von Telefunken wieder nach Franken zurückversetzen, arbeitete zunächst zehn Jahre lang in Zeil am Main. Nach dem Fall der Mauer baute er fast zwei Jahre lang einen Produktionsstandort in Bulgarien auf — unter Bedingungen „wie nach dem Krieg bei uns“. Seine berufliche Laufbahn rundeten 20 Jahre bei der Firma Sieger electronic in Cadolzburg ab. Er zog in den Landkreis Fürth, fand und heiratete seine zweite Frau, die vor drei Jahren verstorben ist.

Bei der Ehrung betonte Bürgermeister Obst, dass erstmals ein „Zugereister“ die Bürgermedaille bekomme. Meding kennt diesen Gegensatz zu den „Ur-Cadolzburgern“. Spätestens seit der 850-Jahr-Feier im Jahr 2007 fühlt er sich der Gemeinde vollkommen zugehörig. Er korrigierte damals Texte aus der Geschichte des Orts für Heimatpfleger Hans Werner Kress. „Cadolzburg ist meine Heimat geworden“, sagt Meding jetzt. Ein Satz, der auszusprechen vielleicht gar nicht nötig ist. Sein ehrenamtliches Engagement für den Ort und seine Bürger sprechen für sich.

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