Der Vogelmörder bin ich ja

16.9.2014, 11:33 Uhr
Der Vogelmörder bin ich ja

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„Wenn die Welt ohne Werbung wär’“ - man müsste sich das mal vorstellen, die Leere an den Plakatwänden, die Stille; ganze Radiosender würden ihre Existenzgrundlage verlieren, sinniert der Mann auf der Bühne. Bodo Wartke, Kabarettist und Entertainer am Klavier, macht keinen Hehl daraus, dass er mit einer werbelosen Welt gut zurechtkäme. Wenn indes die Welt ohne Probleme wäre, hätten Kabarettisten, Dichter und Sänger nicht mehr viel zu sagen, und entsprechend zelebriert der mit reichlich Applaus empfangene Hamburger in seinem neuen Programm genüsslich das Leitthema „Probleme“. Es gibt ja genug davon, das fängt schon bei der Entscheidung für eine der hundert Kaffeevariationen an, streift die moderne Architektur und hört bei Frauen noch lange nicht auf.

Die Beobachtungen, die Szenen, die Pointen, all das kann natürlich kaum einen Preis für Originalität gewinnen. Dass die Tränen des jungen Mannes beim romantischen Liebesgeständnis seiner Freundin unter der Birke im Park („Ich dachte, du weinst aus Emotion“) nichts mit ihren schönen Zukunftsvisionen zu tun hat, ahnt der Hörer längst, ehe die Antwort ertönt: „Nein, es war ’ne allergische Reaktion“. Der Bruch mit dem Klischee wird erwartet, und Wartke inszeniert Bekanntes mit haarsträubenden Reimen, ironischen Seitenhieben, sympathischer Ansprache, abgefahrenen Wortspielen und seiner niemals überstrapazierten Bühnenpräsenz.

Wenn er „benutzerdefinierte Liebeslieder“ auf vier Frauen im Publikum singt, die Trennung zwischen E- und U-Musik beklagt und als Lösung mit Boxhandschuhen zwölftonmäßig auf die Tasten haut, und aus Mozarts Vogelfänger einen Vogelmörder mit Keule für die Eule macht, tobt der Saal.

Und dann wird es zuletzt ganz still, als Wartke die Pointen einstellt und zwei ernsthafte Balladen singt, die zeigen, dass E und U einander nicht ausschließen, weder in der Musik noch in einem Kabarett-Liedprogramm. Das erste ist eine melancholische Würdigung der Zeit, als Geschichte einer verlorenen und wieder gewonnenen prekären Liebe mit der Mahnung „Geh’ diesmal besser mit ihr um“. Keiner lacht mehr, als Wartke sehr persönlich wird mit „Christine“, der früh verstorbenen Babyschwester, die fort ist und doch ein Teil der Familie, ein Teil des Lebens bleibt und der man sich nur über die Frage „Was wäre, wenn“ annähern kann.

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