«Deutsche Waren in deutscher Quelle»

11.4.2008, 00:00 Uhr
«Deutsche Waren in deutscher Quelle»

© FN-Archiv

14 aufschlussreiche Seiten des informativen 144-Seiten-Werks, das neben dem Schwerpunkt Nürnberg und Fürth auch auf Bayreuth und das Umland blickt, beschäftigen sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit der Kleeblattstadt. Dabei zeigt Autor Kuhn, 1937 geborener Jurist, Journalist und Zeitgeschichtler, kräftig Kante und scheut sich nicht vor klaren Meinungsäußerungen, über die sich durchaus auch streiten lässt: Über den Kahlschlag am Gänsberg in den 60er und 70er Jahren schreibt er, die Stadtoberen «beschlossen . . . nur 20 Jahre nach Vertreibung der Juden, vermutlich in einer Mischung aus Selbsthass und schlechtem Gewissen, sich auch noch der letzten jüdischen Stadtattraktion zu berauben: des (einst jüdisch dominierten) Gänsberg- ,Schtetls‘, das man abrissbesessen und geschichtsvergessen schleifen ließ».

Ob das damals tatsächlich die Motive für den Kahlschlag waren? Zum Zeitgeist der 60er Jahre gehörte eben auch jene Abriss-Mentalität, die in vielen (west-)deutschen Großstädten Wertvolles zerstörte. Schwerlich widersprechen lässt sich dem Autor Robert Kuhn aber, wenn er mit Blick auf die Stadtoberen feststellt: «Hätten sie ihr Gänsbergviertel nicht ohne Gefühl saniert, sondern mit Geschmack renoviert, besäßen die Fürther heute eine großartige touristische Attraktion: ein fast 350 Jahre altes ,Schtetl‘.» In der Tat eine Vorstellung, die Tourismus-Managern heute die Tränen in die Augen treiben dürfte angesichts wohl wirklich vergebener (Vermarktungs-)Chancen.

Kuhn erinnert auch an vergessene oder verdrängte, weil braune Facetten der Stadtgeschichte. Daran zum Beispiel, dass Hermann Göring von 1900 bis 1905 Schüler in der Stadt war - in der Vorschule und am Humanistischen Gymnasium. Oder an die kaum bekannte Tatsache, dass Hitlers späterer Leibfotograf Heinrich Hoffmann 1885 in der Nürnberger Landstraße (heute: Nürnberger Straße) zur Welt kam. Das Geburtshaus des 1941 zum Fürther Ehrenbürger ernannten Nationalsozialisten, der die Stadt mit 16 verließ, ist nicht mehr erhalten.

Auch ein Blick auf den Aufstieg von Gustav Schickedanz fehlt nicht in dem Band. Der Quelle-Gründer verdankte seine raschen Erfolge auch dem äußerst günstigen Erwerb einstiger jüdischer Unternehmen durch die «Arisierung», sprich Enteignung der jüdischen Besitzer. «Kauft deutsche Waren in dieser deutschen Quelle», hieß es 1933 auf dem Titel der «Quelle-Nachrichten», daneben stand die «Erklärung», dass sein Unternehmen ein «rein christliches Versandhaus» sei.

Und auch Max Grundig profitierte von der NS-Zeit: Er verdiente durch den Bau von Kleintransformatoren für die Wehrmacht seine erste Million und produzierte später auch Steuerungsgeräte für Hitlers «Vergeltungswaffen» V1 und V2. Kuhns Büchlein liefert eine sinnvolle, spannende Ergänzung zu herkömmlichen Stadtführern. ALEXANDER JUNGKUNZ

PastFinder Nürnberg, Robert Kuhn (Autor), Maik Kopleck (Hrsg.), PastFinder Verlag, 144 Seiten, 14,90 Euro.