Die 24-Stunden-Kita stößt in Fürth auf Skepsis

10.7.2015, 06:00 Uhr
Die 24-Stunden-Kita stößt in Fürth auf Skepsis

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Kerstin Wenzl ist das Problem so bewusst wie der Familienministerin: Die üblichen Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen reichen nicht aus, so Wenzl, „wenn man im Hotelgewerbe, in der Kranken- und Altenpflege oder auch als Journalist arbeitet“.

Dass Krippen, Kindergärten und Horte auf die Bedürfnisse der Eltern reagieren können, findet die Leiterin des Fürther Mütterzentrums wichtig – aber nicht in dem Maße, wie es Manuela Schwesig vorschwebt. Die Politikerin hat ein Förderprogramm im Volumen von 100 Millionen Euro angekündigt, mit dem die Betreuung in den Abend- und Nachtstunden ausgebaut werden soll. Gerade in den Abendstunden hält Wenzl eine Tagesmutter für die bessere Lösung: Für die Kinder habe das den Vorteil, dass sie zuhause, in gewohnter Umgebung, zur Ruhe kommen können. Das Ziel, Einrichtungen an sämtliche Ansprüche der Arbeitswelt anzupassen, scheint ihr nicht erstrebenswert: „Die Kinder leben nicht in einer Betreuungsgesellschaft!“

Ähnlich sieht das auch Agnes Mehl, Leiterin der städtischen Familienberatungsstelle. Pauschal ablehnen will sie Schwesigs Initiative jedoch nicht. Vielmehr müsse jede Familie „behutsam eine individuelle Lösung finden. Es gibt da keine einfachen Antworten.“ Kinder, gibt die Psychologin zu bedenken, „leben sehr von Rhythmisierung“, von festen Abläufen. Ihr Tag sei eigentlich nicht auf Schichtdienste ausgelegt: Morgens werden sie in Kindergarten und Schule „gefordert und gefördert“. Am Nachmittag warten die Hausaufgaben – und die Freunde. Und dann soll es möglicherweise am Abend noch in eine Kita gehen?

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt stelle hohe Anforderungen an die Flexibilisierung der Kinderbetreuung, sagt Mehl. Doch wo liegen die Grenzen? Kann man ein Kind um 22 Uhr vom Kindergarten abholen, wenn es dort schon eingeschlafen ist?

„Da entstehen Dilemmata: Einerseits gibt es die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, andererseits die kindlichen Bedürfnisse.“ Nicht immer lasse sich beides vereinbaren. „Dann muss man abwägen, was in welcher Lebensphase Vorrang hat.“ Der Staat müsse Eltern dabei unterstützen, „ihren Weg zu finden“, betont Mehl. Am ehesten kann sie sich 24-Stunden-Kitas vorstellen, die an Altenheime oder Kliniken angeschlossen sind. „Da ist die Mutter nicht weit weg, das ist für Kinder vielleicht nachvollziehbarer.“

Nicht ausgebucht

Im Ansatz gibt es das am Fürther Klinikum: Der dortige städtische Kindergarten hat nachmittags zwar auch nur bis 16 Uhr geöffnet, aber morgens können die Mädchen und Jungen schon ab 6 Uhr gebracht werden. Dies ermögliche das Krankenhaus durch Zuschüsse, „damit unsere Mitarbeiter ihren Nachwuchs zur Frühschicht abgeben können“, sagt René Klinger, kaufmännischer Leiter des Klinikums. Den Vorstoß der Ministerin, Kitas mit extralangen Öffnungszeiten zu fördern, begrüßt er deshalb: „Bislang bezahlen wir das als Arbeitgeber, aber das ist doch die Aufgabe des Staates.“ Zumal den Kindergarten nicht nur Mitarbeiter nutzen. Die restlichen Plätze stehen allen Fürther offen.

Klinger sieht vor allem eine Notwendigkeit für eine Betreuung am frühen Morgen: „Am Abend haben viele eine Lösung, da sind die Eltern da oder der Ehemann.“ Wie groß der Bedarf aber wirklich ist, lasse sich schwer sagen: Ausgebucht ist der Kindergarten durchs Personal jedenfalls nicht.

Auch Jugendamtsleiter Hermann Schnitzer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass sich viele Familien die 24-Stunden-Kitas wünschen. Die Stadt bemüht sich jedoch um Fördergelder, um sich ein genaueres Bild machen zu können. Im Jahr 2005 gab es übrigens den Versuch, in Fürth ein „Kinderhaus mit ungewöhnlichen Zeiten“ (Kauz) einzurichten, gedacht für Arbeitslose, die so dem Arbeitsmarkt besser zur Verfügung stehen sollten. Nach drei Monaten war Schluss – die Anmeldungen fehlten. 2011 stellte in Berlin ein „Kinderhotel“ wieder auf normale Zeiten um, weil Übernachtungen die Ausnahme blieben.

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