Die drei Türme der Alten Veste in Zirndorf

20.8.2015, 13:00 Uhr
Die drei Türme der Alten Veste in Zirndorf

© Fotos: Thomas Scherer

((Platzhalter)Einen Turmwächter gibt es hier nicht. Heutzutage fällt die Aufgabe, nach dem Rechten zu sehen, dem Gebäudemanager zu. Diese Funktion erfüllt Tobias Lentzen vom städtischen Bauamt. Er ist Ansprechpartner, wenn Besucher wieder mal nicht mit dem Schließmechanismus klar kommen und vor einer vermeintlich verschlossenen Tür stehen. Einmal geöffnet, rastet mit dem Zufallen der Tür die Schließung ein, erst wer ein paar Schritte zurücktritt, kann den Sperrmechanismus über den Bewegungsmelder wieder entriegeln.

Das sorgt immer wieder für verärgerte Anrufe bei der Stadt, worüber Lentzen schmunzelt. Anderes findet er weniger witzig, etwa wenn Besucher in kantigen Buchstaben, die wie Hieroglyphen daherkommen, in die Sandsteinbrüstung ihre Initialen ritzen. Manchmal sind auch Hakenkreuze darunter, weshalb Lentzen regelmäßig die 170 Stufen hochsteigt, die sich im Inneren emporwendeln. Derlei Nazisymbole merzt er regelmäßig aus und zeigt sie der Polizei an, was der stets auch eine Meldung an den Verfassungsschutz wert ist.

Die drei Türme der Alten Veste in Zirndorf

© Thomas Scherer

Den Rundblick in die ganze Region, — auf Zirndorfs 60 Meter tiefer liegende Mitte kann man vom Turmplateau als höchstem Punkt der Gegend hinuntersehen — genießt Lentzen genauso wie die Ausflügler, über deren Anzahl er nur mutmaßen kann. Anders als auf dem Cadolzburger „Bleistift“, wo ein Drehkreuz den Turmbesteigern einen Eintritt abfordert, wird in Zirndorf nicht kassiert, ergo auch nicht gezählt. Aber wochenends, so Lentzen, „ist richtig was los“, selbst im Winter lockt der Blick auf den im Schnee glitzernden Stadtwald.

Die drei Türme der Alten Veste in Zirndorf

© Repros: FN

Beliebt ist der Aussichtsturm seit Jahrhunderten. Um 1900 etwa, hat Klaus Übler von der Zirndorfer Geschichtswerkstatt in Quellen nachgelesen, pilgerten an Tagen wie Christi Himmelfahrt bis zu 5000 Ausflügler zur Veste. Damals sei der Biergarten im angrenzenden Gasthaus allerdings erheblich größer gewesen. Dem ehemaligen Dambacher Pfarrer Christian Schümann zufolge — er trug in seiner 2004 veröffentlichten „Zeitreise auf der Alten Veste“ Fakten und Geschichten zusammen — wurde sogar kolportiert, die erste Eisenbahn 1834 führte deshalb nach Fürth, damit die Nürnberger bequemer zur Alten Veste kamen.

Die drei Türme der Alten Veste in Zirndorf

© Repro: FN

Die Geschichte des Turmes kennt Gabriele Venus, Mitarbeiterin im städtischen Museum, die auch die Führungen rund um den Turm anbietet, aus dem Effeff, sie kann auf die Recherchen etwa des früheren Kreisheimatpflegers Helmut Mahr zurückgreifen: Das Turm-Original entstand zwischen 1228 und 1235 als freistehender Wohn- und Wehrturm innerhalb einer viereckigen Mauer. Der Reichsministerialenfamilie von Berg war ihre Turmhügelburg „Alte Berge“, die Altenberg den Namen gab, zu unkomfortabel geworden war. So bauten sie sich auf dem Sandsteinplateau nördlich von Zirndorf, an der Grenze zu Dambach, eine neue.

Die drei Türme der Alten Veste in Zirndorf

© Repro: FN

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts ging es mit den von Bergs wirtschaftlich bergab, 1306 verkauften sie ihren Wohnsitz an die Burggrafen von Nürnberg, denen offenbar nicht allzu viel an dem Besitz lag. Während des Städtekriegs zwischen Adligen und Städtebund stellte Nürnbergs Burggraf nur eine schmalbrüstige Truppe zur Bewachung der Veste ab. Sie soll den Soldaten aus Nürnberg am 7. September 1388 die Burg kampflos für ein Fässchen Wein überlassen haben. Wenige Tage später ließ der Nürnberger Stadtrat die Veste schleifen. Was nach gut 150 Jahren blieb, war ein Trümmerfeld. Ein Zustand, der sich bis ins 19. Jahrhunderte nicht änderte.

Zwischenzeitlich, Anfang September anno 1632, schreibt die Anlage bei der Schlacht an der Alten Veste Geschichte. Den strategisch günstig gelegenen Felssporn 360 Meter über Normalnull nutzte Wallenstein als nördlichen Vorposten seines Lagers. Von hier soll er seinen Befehle im Kampf gegen Schwedenkönig Gustav Adolf erteilt haben.

Zur Erinnerung daran schickten sich Honoratioren aus der Gegend zwei Jahrhunderte später an, den Turm wiederauferstehen zu lassen, inklusive einer Gedenkhalle für die einst Gefallenen. Doch über die üppig gefeierte Grundsteinlegung kam man nicht hinaus. Die Spenden, auf die das „Turm-Comité“, darunter die Bürgermeister aus Nürnberg und Fürth und der Wirt des Gasthauses am Fuß der Veste, hoffte, blieben aus. Im zweiten Anlauf klappte die Geldbeschaffung über eine Aktiengesellschaft. Für fünf Gulden gab es das Papier. 2085 Gulden brachte die Aktion, 1838 stand der zweite Vestner Turm. Auf die in Aussicht gestellten Erlöse aus den Eintrittsgeldern, fünf Pfennig machte er pro Person, warteten die Aktionäre jedoch vergeblich. 1903 übernahm Zirndorf den Turm.

Besucher-Boom am Plateau

Mit dem zweiten Turm erlebte die Alte Veste einen Besucher-Boom, dem die Infrastruktur des 19. Jahrhunderts jedoch nicht gewachsen war. 1873 kommt es zu einem schweren Unglück. Nach einem Festspiel bricht die Holzbrücke, die das Turmgelände mit dem angrenzenden Biergarten verband, zusammen. 150 Menschen stürzen in die Tiefe, vier sterben. Unter den an die 70 Verletzten war ein Schauspieler, der bis aus München angereist war, um in der von der Fürther Waldmänner-Gesellschaft in Szene gesetzten Allegorie den Waldgeist zu mimen. Er soll, das ist laut Schümann allerdings nicht verbrieft, den Schauplatz hinkend und schimpfend mit folgenden Worten verlassen haben: „Wenn die Fürther wieder einmal einen Waldgeist brauchen, dann können sie mich . . .“

Auch den Nazis blieb die exponierte Lage der Anlage nicht verborgen. 1939 wird die Alte Veste militärisches Sperrgebiet, der Turm wird Leitstelle für die Luftabwehr. Als die Amerikaner anrücken, ereilt den Vierkant das gleiche Schicksal wie etliche Brücken in der ganzen Region. Damit ihn die Alliierten nicht militärisch nutzen können, sprengt ihn die Wehrmacht am 17. April 1945. 107 Jahre stand der zweite Turm.

Schon in den 1950er Jahren begannen die Zirndorfer, für einen neuen Turm zu sammeln. Ein Holzdrechsler schnitzt Sammelbüchsen mit einem stilisierten Turm, die auf Wirtshaustischen um Spenden werben. Als ein Fürther Bauunternehmer den Schuttberg abräumen will, um ein Appartmenthochhaus hochzuziehen, ist die Alte Veste wieder in aller Munde. Der Verkehrs- und Verschönerungsverein ruft in den 1970er Jahren zu Spenden auf. Über 319 000 Mark bringen die Zirndorfer zusammen mit damals noch florierenden Unternehmern der Region wie Schickedanz, Leipold oder Metz auf, um die Stadt bei dem 788 000 Mark teuren Projekt zu unterstützen.

Auf der im Grundstein eingemauerten Urkunde verewigen die Zirndorfer den Wunsch, „dass der Turm die Zeiten überdauere und künftigen Generationen zum Mahnmal werde gegen Krieg und Zerstörung zu Frieden und Versöhnung“. 592 Jahre nach dem Fall des Ursprungsbaus wird der dritte Turm 1980 eingeweiht. 35 Jahre hat er bis jetzt geschafft.

Dass das Wappen der Bibertstadt eine etwas verballhornte Version des Vestner Turms ziert, ist den Zirndorfern selbst nur bedingt anzulasten.

1911, ein Jahr bevor die Landgemeinde Zirndorf zur Stadt erhoben wurde, feierte Prinzregent Luitpold von Bayern seinen 90. Geburtstag. Bayerns Städte wollten ihm eine Huldigung erweisen. Gedacht war an eine künstlerisch gestaltete Glückwunschnote, verziert mit den Wappen aller Beteiligten. Die Zirndorfer hatten keines, ihr Vorschlag fand im Innenministerium keinen Gefallen, worauf die Münchener selbst einen Entwurf präsentierten, dabei allerdings wenig Ortskenntnis bewiesen: Deren Vestner Turm ist in eine Burgmauer eingebunden und rund, was fürs Original in keiner der damals bekannten zwei Varianten zutraf.

Doch es pressierte, der Ehrentag des Prinzregenten war nicht mehr weit. Dass Zirndorf bei dem Staatsakt außen vor bleibt, wollten die damaligen Gemeindeverwalter nicht riskieren.

 

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