Die ersten Sessel sind schon weg

12.3.2012, 11:00 Uhr
Die ersten Sessel sind schon weg

© Martin Bartmann

Drinnen ist es kühler als draußen. Kinobetreiber Alfred Ach steht mit dicker Jacke im Foyer, zeigt seufzend auf einen seltsam verrenkten Heizkörper an der Wand. Eine Folge des Frosts, erklärt der 56-Jährige, als die ersten Kunden kommen.

Um 14 Uhr beginnt der Ausverkauf. Schwatzend strömen Männer, Frauen und Kinder durch den Seiteneingang. Manche schleppen Werkzeugkästen, andere packen Taschenlampen aus, um auch bei schlechter Beleuchtung genau hinsehen zu können. Auf der Suche nach Erinnerungsstücken schweifen erwartungsvolle Blicke durch Foyer und Kinosäle. Blicke, die rasch hängenbleiben: an Bildern, Schildern und anderen Accessoires aus 34 Jahren Kinobetrieb.

Bald wird geschraubt, geprüft, gewerkelt. 25 Euro kostet einer der angejahrten Plüsch- und Cordsessel, 18 Euro zahlt, wer eine ganze Reihe nimmt. Den Rabatt lassen sich Heike Barwanietz und Frank Schobert nicht entgehen. Fix machen sie sich an einer Zweierreihe zu schaffen.

Auf einem Getränkekasten balancierend streckt sich im Foyer Florian Richter (29) nach dem Wegweiser zum Kinosaal „Country“. In Richters Werbeagentur soll es eine Zukunft haben. Celina Henning hat vor der Demontage noch ein Foto gemacht. Die Kamera der 32-Jährigen stammt aus den 70er Jahren, der Zeit, als das „City“ eröffnet wurde. 1978 ging es los, mit dem Musical „Grease“ und einer langen Warteschlange an der nun verwaisten Kasse. Henning hat Filmwissenschaften studiert, ihr Herz schlägt für „schöne alte Kinobauten“. Mit einer ausladenden Armbewegung zeigt Henning auf „die breite Treppe, die hohen Fenster, das Licht...“

Um Alfred Ach hat sich ein Pulk Menschen versammelt. Der Chef ist kaum zu sehen, doch er ist zu hören. „Nur die Stühle“, ruft er, „heute nur die Stühle“. Ach will in den Sälen erst mal Platz schaffen für alles andere, für Dinge, die teils in einem großen Lager schlummern: Aufsteller, Plakate, Spielautomaten, Sofas... Zu diesem Vorgehen hat sich Ach spontan entschlossen. Und so gibt es auch enttäuschte Mienen wie die von Susanne und Erich Pauer aus Erlangen.

Das Paar richtet sich ein Heimkino ein. Sofa, Sessel, Sternchen-Teppich, Akkustikdecke — alles ist da. Nur die Leinwand fehlt noch und „der Schnickschnack“. Die Pauers liebäugeln mit Täfelchen, die verkünden, was „in Kürze“ oder „demnächst in diesem Kino“ läuft. Ach hält die Schilder fest. Er brauche einige „nostalgische Elemente“ fürs neue Kino“.

Sabine Pullen hofft sehr, dass es klappt mit einem Nachfolger fürs City-Kino. „Dann könnten die Kinder hinradeln und ihre Freizeit in der eigenen Stadt verbringen“, meint die 47-Jährige, während ihr Mann mit Jakob (16), Lucia (13) und Emil (8) an fünf roten Klapp-Sesseln hantiert. Die Familie ist mit Feuereifer bei der Sache. „Die kommen in unsere Zimmer“, ruft Jakob, „als Gästestühle“. „Und als Klamottenablage“, ergänzt die Mutter lachend.

Der Verkauf wird an den kommenden Samstagen jeweils ab 14 Uhr fortgesetzt.

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