Die Jungen Fürther Streichhölzer im Zauber der Melancholie

4.4.2017, 16:40 Uhr
Die Jungen Fürther Streichhölzer im Zauber der Melancholie

© F.: André De Geare

Es ist kein ungetrübt heiteres Schauspiel, das die Jungen Fürther Streichhölzer diesmal präsentieren. Nicht etwa, weil Bernd Müller in der Werkauswahl seine jungen Musiker überschätzt und sie schlecht gespielt hätten. Im Gegenteil, insbesondere das Symphonieorchester ist so gut, dass es einen beinahe überrascht, wenn einmal passiert, was eigentlich zu erwarten ist — wenn das Tempo an der einen oder anderen diffizilen Stelle ein wenig auseinanderdriftet, wenn ein Einsatz unsauber ist.

Dass da größtenteils junge Laienmusiker spielen, das vergisst man zwischenzeitlich nämlich fast, umso mehr, als es keine leichte Kost ist, die Müller an diesem Abend auftischen lässt. Schon das Vor- und Nachwuchsorchester, das den Anfang macht, präsentiert ein Stück, das nicht nur Harmlosigkeit verbreitet.

Geschrieben hat der englische Komponist Gustav Holst seine "St Paul’s Suite" für die Schülerinnen jener Mädchenschule, an der er unterrichtete. Sie beginnt mit einem "Jig", einer Tanzmusik, die lebhaft und rhythmisch ist, aber mit kleinen, unruhigen, gegenläufigen Phrasen spielt. Im Intermezzo begeistert der erste Geiger Zaid Altayeb mit einem melancholisch strömenden Thema in großer Klangklarheit und -Schönheit, und im Finale, auch wenn es zwischenzeitlich ein bisschen zerzaust wirkt, hört man dann schön das darin verarbeitete Motiv des englischen Volkslieds "Greensleeves".

Das deutsche Volkslied-Idiom liegt ihnen ebenfalls: Schon am frühen Nachmittag hatten die "kleinen" Streichhölzer mit Auszügen aus "Hänsel und Gretel" die zahlreich erschienenen Familien im Theater glücklich gemacht.

Große Bögen

Dunkel und erdig lässt die 1995 geborene Solocellistin Kathrin Herwanger in Edward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester ihr Instrument ertönen, in großen Bögen über dem immer erdverhafteten Weben der Streicher. Später wird das Werk zu einer Seelenlandschaft voller Brüche und Querschüsse, ein unruhiges, widersprüchliches Terrain. Herwanger beweist virtuose Fingerfertigkeit bei den vielen kleinen und schnellen Passagen der Cellopartie.

Manchmal reicht ein einziges Wort als Schlüssel für ein gesamtes Werk, sei es ein Buch, ein Bild oder, wie hier, eine Tondichtung. Ein "Requiem" soll ein Bekannter Peter Tschaikowskys dessen sechste Symphonie genannt haben, die nur wenige Tage vor dem Tod des Komponisten 1893 uraufgeführt wurde. Unter diesem Leitgedanken entfaltet sich auf dem Podium ein Drama zum Zuhören, das sich auch ohne großes Nachdenken den Stationen eines Lebens zuordnen lässt.

Da ist der Kopfsatz, der durch ständige Abbrüche und Neuanfänge gekennzeichnet ist, durch den Versuch, sich zu finden, eine Leichtigkeit oder zumindest eine Gelassenheit zu erlangen, die aber spektakulär in einem plötzlichen schrillen Sturm der Streicher untergeht, in den sich dumpfe Trommeltöne mischen; ein Kampf, der so laut und dramatisch wird, dass er das Durcheinander für einen Moment transzendiert.

Im dritten Satz stellt sich kurzzeitig eine Balance ein, gefolgt vom Allegro, das die verschiedenen Stränge des Lebens verbinden will. Mit dem Gedanken des Requiems im Kopf ist klar, dass der triumphale, nicht enden wollende Schluss dieses Satzes, dieses Ziehen aller Register, das den Applaus schier herausfordert, nicht das Ende sein kann.

Das folgt nach dem Finale, dem Lamento, in dem sich eine resignierte Ruhe und ein letztes Aufbegehren abwechseln, um zuletzt in Stille zu versinken. Eine Stille, die zu dicht ist, um unmittelbar vom Applaus unterbrochen zu werden — der danach aber im Stadttheater umso stürmischer ist.

Verwandte Themen


Keine Kommentare