Die Siebener sind freistaatliches Kulturerbe

30.7.2016, 06:00 Uhr
Die Siebener sind freistaatliches Kulturerbe

© Foto: S. Dietz

Vergangenes Jahr haben Sie sich stellvertretend für alle Feldgeschworenen-Vereinigungen Bayerns um die Aufnahme in die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes beworben. Zeitgleich stellte sich auch Fürth mit der Michaelis-Kirchweih an. Die Fürther haben Sie jetzt ausgestochen . . .

Satzinger: Ich würde da keine Konkurrenz zwischen Stadt und Land konstruieren. Wir sind alle eins. Schließlich haben wir in unserer Vereinigung auch 37 Fürther. Oberbürgermeister Thomas Jung habe ich dieser Tage schon angerufen, um ihn zu unterrichten, dass wir es auf die Bayern-Liste geschafft haben. Ihn persönlich habe ich nicht erreicht, aber ich ließ ihm ausrichten, dass er stolz sein kann. Der Name Fürth wird mit dem Titel über die Region hinausgetragen, egal ob Landkreis oder Stadt.

Ein bisserl Genugtuung dürfte trotzdem mitschwingen, oder?

Satzinger: Ja, sicherlich. Noch dazu, da die einzige Frau in unserer Herrenrunde das geschafft hat. Nachdem sie ihre Idee zum ersten Mal der Vorstandschaft präsentiert hatte, zogen alle sofort mit. Später habe ich sie als Nachfolgerin für einen 85-jährigen Siebener in Vincenzenbronn vorgeschlagen. Das Gremium wählte sie einstimmig.

Und Sie, Frau Massl, ließen sich sofort begeistern?

Massl: Geschichte, alte Steine, das hat mich schon immer fasziniert. Als Tochter eines Siebeners bin ich damit aufgewachsen, dass mein Vater Grenzsteine setzte. Ich finde, diese Tradition hat es verdient, mehr Wertschätzung zu erfahren. Weshalb ich beim Neujahrsempfang Großhabersdorfs Anfang 2015 auf Hans Satzinger zugegangen bin mit dem Anliegen, sich als Feldgeschworenen-Vereinigung für den Unesco-Titel zu bewerben. Selbst im ländlichen Großhabersdorf wissen viele Menschen nicht mehr um das Ehrenamt, das ist schade. Mit der Platzierung hoffe ich doch, dass das Amt wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen rückt. Auch für die Bundesliste sind wir Kultusminister Ludwig Spänle zufolge bereits nominiert. Ob wir aufgenommen werden, entscheidet die Kultusministerkonferenz nächstes Jahr.

Was leisten die Siebener?

Massl: Letztlich hat sich seit dem 15. Jahrhundert nichts an ihrer Aufgabe geändert, wenngleich sie mit der Einführung der Vermessungsämter 1801 massiv in ihren Kompetenzen beschnitten wurden. Früher sprachen die Siebener sogar Recht, wenn es um Grenzstreitigkeiten ging, heute sind sie überwiegend für das Setzen der Grenzsteine verantwortlich. In Bayern kostet eine Vermessung so wenig wie nirgends sonst in Deutschland, denn die Siebener arbeiten ehrenamtlich. Früher haben sie es für eine Brotzeit getan oder für den Hafer, den die Pferde, auf denen sie geritten kamen, fraßen. Heute bekommen sie eine Aufwandsentschädigung.

Haben Sie den Titel schon gefeiert?

Satzinger: Ja, natürlich. Ich habe eine außerordentliche Vorstandssitzung im Langenzenner Siebener Café einberufen. Dort haben wir Jutta einen Blumenstrauß geschenkt. Der, dachte ich mir, muss drin sein bei dem Einsatz, den sie gezeigt hat. Es ist ja kein einziger Cent dafür geflossen.

Frau Massl, wie viel Zeit haben Sie denn investiert?

Massl: Darüber habe ich nicht Buch geführt. Aber ich gehe davon aus, dass sich die Siebener-Vorstandschaft noch nie so oft getroffen hat, wie vergangenes Jahr. Wir haben den Antrag ständig nachjustiert, bevor wir ihn Ende August nach München geschickt haben. Umso mehr freut es mich, dass wir es geschafft haben.

Wie sah Ihr Antrag aus?

Massl: Am Anfang stand ein Fragenkatalog, den ich mit meinem Sohn Benjamin für meinen Vater entworfen habe. Er ist seit fast 50 Jahren Siebener. Diese Fragen bin ich in einem Drei-Stunden-Gespräch mit ihm durchgegangen. Außerdem hatten wir vom ehemaligen Kreisheimatpfleger Helmut Mahr ein Schreiben, das das Siebener-Wesen historisch beleuchtete. Und Ernst Grünbeck, Direktor des Vermessungsamtes Nürnberg, hat uns eine Empfehlung geschrieben, in der er darlegte, welche Wertschätzung die Feldgeschworenen seitens der Behörden auch heute, in Zeiten satellitengestützter Vermessungstechnik, genießen. Schlicht weil sie eine genaue Ortskenntnis mitbringen, bei der Bevölkerung bekannt sind und nicht zuletzt die Gebühren für die Bürger niedrig halten.

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