Die Stunde der Wahrheit

1.8.2014, 09:30 Uhr
Die Stunde der Wahrheit

© Foto: Riemann

36 Schauspieler und Komparsen werden in dem opulenten Spektakel auf der Bühne stehen, und zwar in seiner 1911 im Berliner Zirkus Schumann unter der Regie von Max Reinhardt uraufgeführten Originalfassung. Der florierende Kartenvorverkauf zeigt, dass das Interesse an dem Stück auch nach der letztjährigen Inszenierung in Langenzenn nicht nachgelassen hat.

Die Handlung des Jedermann ist auf den ersten Blick recht einfach: Sündiger Bohemien wird mit dem Tod konfrontiert und bekommt zu spüren, dass ihm sein ganzer Reichtum in diesem Fall nichts hilft. Doch wie schon der Ausrufer zu Beginn des Mysterienspiels verlauten lässt: „Der Stoff ist kostbar von dem Spiel. Dahinter aber liegt noch viel.“ Die von Brigitte Riemann unterstützte Regisseurin Ute Weiherer hat in ihrer Inszenierung dieses „Dahinterliegende“ in vielen Feinheiten herausgearbeitet.

Scheinheilige Menschen

Mit zynischem Witz wird die Scheinheiligkeit der Menschheit bloßgestellt. Sie alle sind Teufel, Tod und Gott ausgeliefert, wollen davon in ihrer Gier nach Macht, Geld und Vergnügen aber nichts wahrhaben. Wen es erwischt, der wird fallen gelassen und vergessen. So ergeht es dem Jedermann im Stück, und seine späte Erkenntnis soll uns die Mahnung sein, uns der wahren Werte des Lebens zu besinnen. Damit hat Hugo von Hofmannsthals Stück quasi eine permanente Aktualität.

Hofmannsthals Jedermann ist vollständig in Versen gehalten; das Versmaß ist dem Knittelvers ähnlich. Die Sprache hat insgesamt eine mittelhochdeutsche Färbung. Man kann annehmen, dass Hofmannsthal eine Art „imaginäre Sprache“ schaffen wollte, die eine bestimmte Stimmung der Vergangenheit heraufbeschwört, ohne diese historisch rekonstruieren zu wollen.

Es war die Zeit des Impressionismus. Charakteristisch hierfür ist das Stilmittel der Lautmalerei und das Zurücktreten der äußeren Handlung. Der Impressionismus ist ein Leben in einer Scheinwelt, eine Flucht vor der Realität.

Die Wiederbelebung des Mysterienspiels war ein außergewöhnlicher Versuch, das Theater zu erneuern. Hofmannsthal war sich der Schwierigkeiten, welche die Übertragung eines naiven, mittelalterlichen Spieles ins 20. Jahrhundert mit sich bringt bewusst. Erst nach mehreren Versuchen entschied er sich inhaltlich und sprachlich für die Beibehaltung der einfachen Ausdrucksformen. Theaterzauber, Masken, Musik und große Figurenzeichnung bringen das Spiel zurück in die Ursprünge.

Der „Jedermann“ verbindet zwei literarische Motive: Freundschaftsprobe vor dem Tod und Strafgericht nach dem Tod. Literarisch findet sich das bereits in den Totentänzen. Diese entstanden durch die in ganz Europa wütende Pest. Die Angst sollte gebannt werden und der Mensch suchte Trost darin, dass die Seuchengefahr auch König und Kardinal bedroht.

Der zweite Aspekt hingegen, die moralische Rechtfertigung für unsere Existenz, wird von gesellschaftlichen Wandlungen beeinflusst. Die Auseinandersetzungen der Reformationszeit finden bei Hofmannsthal ihre Fortsetzung.

Jedermann, Fürther Bagaasch- Ensemblebühne & Bühne Erholung 27 Fürth in Co-Produktion, Premiere: Mittwoch, 6. August, 20.30 Uhr im Hof des Kulturforums Fürth, Würzburger Straße 2, (bei schlechtem Wetter: große Halle des Kufos), weitere Termine: 7. - 9. August, Eintritt 16 Euro (Abendkasse), 14 Euro im Vorverkauf und unter Telefon (0911) 92 32 106, Zeitungsabonnenten erhalten 20 Prozent Rabatt mit der ZAC-Karte.

0 Kommentare