Die Zirndorfer Mutter der Straßenhunde

26.7.2016, 06:00 Uhr
Die Zirndorfer Mutter der Straßenhunde

© Foto: Edgar Pfrogner

Mae muss Schlimmes erlebt haben. Die etwa sieben Monate alte Hündin mit dem treuen Blick hat sich in die Hecke verkrochen und wagt sich nur zögerlich unter den Blättern hervor, zeigt aber keinerlei Argwohn. Mit etwas Geduld lässt sich das spindeldürre Kerlchen sogar locken. Die ähnlich alte Lizzy ist ein anderes Kaliber. Fast draufgängerisch und selbst bei Fremden für jede Streicheleinheit zu haben, kennt sie keine Scheu. Jacky, womöglich schon sieben, acht Jahre alt, ist vorsichtig, aber trotzdem aufgeschlossen. Ein Wunder, wenn man bedenkt, was die Tiere womöglich hinter sich haben.

Vor Freude getanzt

Gerade eine Nacht sind sie bei ihrer Pflegemutter. „Sie haben einen richtigen Freudentanz aufgeführt“, berichtet Böhm vom Abend zuvor. Wohl das erste Mal in ihrem Leben haben sie eine Knackwurst geschmeckt. Über Nacht haben sie die Küche auf den Kopf gestellt. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde einer genauen Inspektion unterzogen — und zerlegt.

Angela Böhm nimmt derlei gelassen, räumt mit Eselsgeduld die Tretminen aus dem Rasen und hat immer eine Wurst zur Hand. Die 46-Jährige lebt mit und für Hunde. Seit vier Jahren tut sie das im Verein der „Tierhelfer e. V.“. Mit sechs Mitstreiterinnen und einigen wenigen Mäzenen, die Rettungsaktionen einzelner Hunde finanziell unterstützen, holt sie seitdem Straßenhunde aus der „Hundehölle Osteuropa“.

Ihre neuen Zöglinge waren zwei Tage unterwegs, mit einer Firma, die sich auf Tiertransporte spezialisiert hat und mit der Böhm gute Erfahrungen gemacht hat, was nicht selbstverständlich ist. In der Kleinstadt Boldesti nahe Bukarest waren die Hunde auf engstem Raum zusammengepfercht und teilten das Schicksal Tausender Hunde in Rumänien, die hungernd und krank in Tötungsstationen unter erbärmlichen Umständen vor sich hin vegetieren. Oft würden verendete Tiere nicht einmal aus den Zwingern entfernt, berichtet Böhm.

„Barbarisches Gesetz“

Schockierende Videoaufnahmen sind zuhauf im Internet zu finden und belegen die Grausamkeit einer staatlich sanktionierten Tötungspraxis. Erst im Juni hat die Tierschutzorganisation Peta eine Unterschriftenaktion gestartet, mit der sie den Ende 2014 ins Amt gewählten Präsidenten Klaus Iohannis an sein Wahlversprechen erinnerte, das „Tötungsgesetz“ für Streunerhunde, das er selbst als „barbarisch“ bezeichnete, auszusetzen.

Seit dem Erlass dieses Gesetzes im September 2013 lässt sich in Rumänien viel Geld mit Straßenhunden verdienen. „Der Durchschnittsverdienst liegt in dem Land bei 300 Euro im Monat, jeder getötete Hund bringt 250 Euro“, sagt Böhm — aus öffentlichen Kassen, teils auch aus EU-Fördertöpfen. Steuergelder gibt es für die Hundefänger, die Betreiber und Veterinäre der staatlichen Heime, für die Unterbringung und medizinische Betreuung der Hunde sowie für die Tötung. Wie das alles vonstatten geht, kontrolliere keiner. Ein Riesengeschäft, meist sahnten korrupte Politiker vor Ort mit ab. Die Folge: „Dort hat sich eine richtige Hundemafia entwickelt“, so Böhm.

Sie ist europaweit vernetzt. Via Facebook steht die Zirndorferin in Kontakt mit Gleichgesinnten. Den gewissenlosen Umgang mit Hunden beobachtet sie in ganz Osteuropa. Vor allem aber Rumänen und Ungarn gingen grausamst mit herrenlosen Hunden um: „Sie sind den Menschen dort nicht mehr wert als das Unkraut auf den Äckern.“

Erfährt sie vom drohenden Tod — der oft genug, weil unschlagbar günstig, mit einem Schaufelhieb auf den Kopf, durch eine Pestizid-Injektion oder Rattengift, das die Tiere qualvoll an inneren Blutungen verenden lässt, herbeigeführt wird —, verbringt die Zirndorferin wie vergangene Woche selbst die Nächte am Computer auf der Suche nach Unterstützern, die die Kosten für die Rettung mittragen.

Bevor die Tiere nicht gesund gepflegt sind, dürfen sie nicht ausgeführt werden. Obligatorisch ist eine dreiwöchige Quarantäne. Bluttest, Kastration, Impfungen sowie Chippen und Registrieren kosten etwa 50 Euro. Am teuersten kommt der Transport. 320 Euro Schutzgebühr verlangen die Tierfreunde, „dann bleibt noch ein kleiner Rest für die Vereinskasse“, so Böhm.

Ein, zwei Hunde vermitteln die Zirndorfer Tierhelfer im Monat. „Sicher, was wir hier tun, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Böhm. „Doch jeder Tierschutz-Hund ist ein Tierschutz-Hund, egal ob er aus dem Tierheim oder aus dem Ausland kommt. Und er wirbt für unsere Sache und dafür, dass wir Menschen Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe übernehmen müssen.“

Zu gern würde sie eine Auffangstation in der Region eröffnen, „damit wir mehr Hunde rausholen können“. Doch dafür bräuchte sie Unterstützer, die bereit sind, regelmäßig zu spenden. Bisher arbeitet sie mit einem Ingolstädter Verein zusammen, der eine solche Auffangstation betreibt. Mae, Lizzy und Jackie bleiben bei ihr, bis dort drei Plätze frei sind — es sei denn, Böhm kann sie vor Ort in gute Hände vermitteln.

Internet: www.die-tierhelfer.de oder auf Facebook die Seite von Angela Böhm.

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