Eifrige Tarifoptimierer locken die Stromkundschaft

2.12.2018, 21:00 Uhr
Eifrige Tarifoptimierer locken die Stromkundschaft

© Foto: Jens Büttner/dpa

Mit einer Ersparnis von mehreren hundert Euro im Jahr beim Wechsel des Energieversorgers wirbt etwa der Optimierer SwitchUp. Die Zahlen beziehen sich auf einen Vier-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 3500 kWh und nehmen als Referenz den Basistarif, in dem sich all jene Kunden befinden, die noch nie ihren Tarif gewechselt haben. Das 2015 gegründete Berliner Unternehmen erstellt nach Nennung des persönlichen Energieverbrauchs, der Postleitzahl und etwaiger Präferenzen (zum Beispiel Ökostrom) ein Ranking mit den besten Angeboten.

Schwarze Schafe enttarnen

"Unsere Empfehlungsbasis ist die gleiche wie bei den klassischen Vergleichsportalen", sagt Laura Martini, eine ehemalige Fürtherin, die bei SwitchUp für die Kommunikation zuständig ist. Zusätzlich würden aber auch jene Anbieter gelistet, die keine Provision an SwitchUp bezahlen, und unseriöse Unternehmen herausgefiltert. Diese, so Martini, schickten etwa nach einem günstigen ersten Jahr versteckte Preiserhöhungen in Form einer langen E-Mail, die wie ein Newsletter aussehe; oder sie lehnten die Kündigung ab, weil sie angeblich nicht eingegangen sei.

Deshalb seien einige der derzeit 23 Mitarbeiter von SwitchUp unter anderem dafür zuständig, das Netz nach Beschwerden zu durchforsten und so Hinweise auf schwarze Schafe zu sammeln. Auf ein solches sei Firmengründer Arik Meyer einst selbst hereingefallen – und so auf die Geschäftsidee gekommen. Martini betont aber: "Der Großteil der Anbieter im Strommarkt agiert seriös."

Während Vergleichsportale den einmaligen Wechsel im Blick haben, verspricht SwitchUp, die Strom- und Gas-Tarife der Nutzer kontinuierlich zu optimieren. So werde alljährlich vor Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer Preiserhöhung automatisch geprüft, ob der aktuelle Tarif noch der beste ist. Denn das erste Vertragsjahr sei mit einem Neukundenbonus oft sehr günstig, im Folgejahr stiegen dann die Preise mitunter drastisch an. "Erst der fortwährende Wechselprozess bringt die dauerhafte Ersparnis", meint Martini.

Die Nutzerzahl von SwitchUp liege derzeit im fünfstelligen Bereich, berichtet die Berliner Firma. In den vergangenen Monaten seien überproportional viele Neukunden dazugekommen, und in den nächsten Wochen rechnet Martini mit einem verstärktem Zustrom, da viele Energieversorger traditionell im November ihre Preise erhöhen.

"Mit SwitchUp selbst schließen die Nutzer keinen Vertrag ab", erklärt Martini. "Sie erteilen uns lediglich eine Vollmacht, für sie den Strom- oder Gasvertrag abzuschließen." Wer gleichzeitig die Option "Automatischer Wechselservice" wähle, brauche sich in der Folge um nichts mehr zu kümmern. Für den Kunden ist der Online-Service kostenlos, SwitchUp finanziert sich — wie seine Mitbewerber auch — über Provisionen von den Energieversorgern. Wer den Dienst nicht mehr nutzen wolle, könne dies formlos mitteilen — per Brief, E-Mail oder telefonisch.

"Der Strom- und Gasmarkt ist so undurchsichtig", kritisiert Martini. "Wir möchten auch ein Zeichen in den Markt setzen." Martin Grimmeisen, Prokurist der städtischen infra und dort verantwortlich für den Energieeinkauf und -vertrieb, teilt diese Einschätzung nicht. "Der Strom- und Gasmarkt ist einer der am besten funktionierenden Märkte überhaupt", findet er.

Nicht nur dass die Kunden genau wüssten, welches Produkt sie bekämen — nämlich kWh Strom — auch gebe es eine enorme Zahl von Anbietern; allein die infra arbeite mit mehreren hundert Versorgern zusammen, die Kunden in Fürth beliefern.

Nicht nachhaltig

Neukundenboni gibt es bei der infra nicht. "Wir gehen immer wieder mal auf ehemalige Kunden zu und versuchen, sie mit attraktiven Angeboten für die Bäder oder den ÖPNV zurückzuholen", berichtet Grimmeisen. Das Geschäftsmodell der Vergleichsportale und Tarifoptimierer sieht er kritisch: "Die Wechselportale sind nicht neutral, auch wenn sie es immer sagen. Im Prinzip agieren sie wie ein Makler, der den Wechsel fördert. Denn davon leben sie ja."

Auch die Geschäftspolitik von manchem Wettbewerber missfällt Grimmeisen: "Diese Bonusgeschichte ist nicht nachhaltig, die Versorger befeuern sich gegenseitig." Einige Unternehmen habe dieses Schneeballsystem schon in die Pleite geführt – denn die Boni müssten letztlich die Bestandskunden finanzieren.

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