Ein Bahnhof voller Kellner

25.10.2016, 17:30 Uhr
Ein Bahnhof voller Kellner

© Foto: Tim Händel

Brazz! Oje, Christiane Öttls Kontrabass kratzt und brutzelt zum Auftakt garstig vor sich hin, irgendwie ist das kleine Mikro falsch eingestellt. Nach zwei Minuten tauscht die Bassistin den voluminösen Kontra- gegen den handlicheren E-Bass ein. Ja, das klingt schon viel weicher, andererseits auch druckvoller aufs Trommelfell. Cool, wie die Musikerinnen die Panne in den Griff bekommen. Weiterspielen, lächeln, alles wird gut.

Nach dem Auftakt mit Steve Millers „Abracadabra“ geht es mit Eigenkompositionen weiter, zunächst auf Englisch, dann auf Deutsch und Bayerisch. Und wie in Chansons und im Jazzgesang unvermeidlich, dreht sich alles wieder mal um Mann und Frau, um die Oasen des Glücks inmitten einer Wüste trostloser Öde; oder um den Sand, der sich in das anfänglich harmonische Getriebe einschleicht und den schönsten Traum zunichte macht. Ihre Glaubwürdigkeit beziehen solche Lieder aus dem eigenen Erleben. „Überlegt euch gut, was ihr euch wünscht“, mahnt Sängerin Lisa Wahlandt das gereifte Publikum, „es kann alles in Erfüllung gehen.“

Keck sind die Damen obendrein. Den Klassiker „Bauarbeiter pfeift hübscher Frau hinterher“ drehen sie kurzerhand um und machen den hilflosen Maurer zum Objekt der Begierde einer mannstollen Passantin, die sich an Schweiß und Muskeln ergötzt, den Handwerker gar zum Essen ausführt. Alles garniert mit perfekt abgestimmtem Harmoniegesang und „Shalala uwaaah“-Floskeln. Und dann folgt die Erkenntnis: „Der Kellner ist ja auch ganz süß!“

Neben modernen Klassikern wie „Time after Time“ überrascht das muntere Trio mit einer jazzig-flotten Interpretation von „Männer“, neben der Herbert Grönemeyer sehr alt aussieht. Und sogar die Neue Deutsche Welle erfährt ihre Aufwertung, wenn die banalen „Sterne am Himmel“ mit weiblicher Leuchtkraft glänzen. Auch das Publikum darf mitsingen, sich in Vokalisen erproben und, von Lisa Wahlandt angestachelt, sich bis per Urschrei abreagieren.

Für die kabarettistischen Einlagen sorgen die Unterhaltungen zwischen Wahlandt und Bassistin Öttl, wohingegen Andrea Hermenau am Klavier sich züchtig heraushält und lieber pianistische Akzente setzt. Für alle Mitmenschen mit Torschlusspanik haben die Drei Damen übrigens einen schönen Trostspruch parat: „Der Zug ist abgefahren? Von wegen, ganze Bahnhöfe tun sich auf.“

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