Ein Euro pro Fahrt? Fürther CSU will günstigen ÖPNV

29.6.2018, 06:00 Uhr
Ein Euro pro Fahrt? Fürther CSU will günstigen ÖPNV

© Hans-Joachim Winckler

Man kann schon mal die Orientierung verlieren, wenn über den ÖPNV diskutiert wird. Denn die Spanne der Vorschläge reicht von regelmäßigen Preisanhebungen, die Verantwortliche der Verkehrsbetriebe für alternativlos halten, soll das Defizite nicht ins Uferlose steigen, bis hin zum radikalen Gegenteil: Mit Bus und Bahn soll der Bürger gratis fahren können, haben Demonstranten unter Federführung des Fürther Sozialforums erst am Mittwoch wieder plakativ verlangt.

Sowohl unter sozialen Aspekten als auch ökologisch wäre das wünschenswert, argumentieren die Befürworter. Für nicht bezahlbar halten es die Gegner. Irgendwo dazwischen pendeln sich inzwischen die meisten Lokalpolitiker ein. Sie ließen in den vergangenen Jahren zunehmend zähneknirschend erkennen: Die stets pünktlich zum Jahreswechsel fälligen Preiserhöhungen des VGN um zwei bis drei Prozent, die Mehrkosten etwa für Löhne, Strom oder Treibstoff ausgleichen, machen sie nicht mehr mit. Wohl wissend, dass die Stadtkasse für die Deckungslücke aufkommen muss. Von satten Millionenbeträgen pro Jahr ist die Rede.

Dessen ungeachtet bleibt das Thema auf der Agenda. Nach vorne geprescht ist kürzlich die Nürnberger CSU: Sie fordert eine zweijährige "Verschnaufpause", in der man nach neuen Möglichkeiten für die ÖPNV-Finanzierung sucht – und überlegt, wie das geltende Tarifsystem vereinfacht werden kann. Zur Seite springen den Nürnberger Christsozialen die Fürther Grünen, und zwar in doppelter Hinsicht. Sie beantragen eine Aussetzung der Preiserhöhung für die Tarifstufe B (Stadtgebiet Fürth), in puncto Tarifsystem empfehlen die Grünen den Blick nach Stuttgart.

Ein Euro für alle Fahrten

Dort wird seit kurzem das sogenannte Bestpreiskonzept getestet: Ein Algorithmus ermittelt via App den günstigsten Tarif, abgerechnet wird am Monatsende. Der Vorteil: Fahrgäste müssen nicht mehr selbst ausrechnen, wie sie ihren Geldbeutel am besten schonen. Damit, glauben die Grünen, kann es gelingen, mehr Menschen vom ÖPNV zu überzeugen.

Dieses Ziel hat sich auch die Fürther CSU auf die Fahnen geschrieben, die dieser Tage einen eigenen Vorschlag publik machte. Sie wünscht sich die Rückkehr zu einem speziellen Kurzstreckentarif fürs gesamte Stadtgebiet, in dem Kunden – wie vor 2012 – deutlich günstiger unterwegs sind. Und wie günstig? Nur noch ein Euro soll für Fahrten in Fürth zu berappen sein, unabhängig von der Zahl der Stationen, hieß es auf FN-Nachfrage. Derzeit werden für eine vergleichbaren Einzelfahrkarte, die in ganz Fürth gilt, 2,50 Euro fällig.

Auch eine derartige lokale Sonderregelung ginge mächtig ins Geld, gemäß dem im Verbund geltenden Solidarprinzip wären Fürther Ausgleichszahlungen in die VGN-Kasse die Folge. Die soll nach dem Willen der CSU die kommunale Kasse tragen.

Beides freilich – einen Verzicht auf höhere Ticketpreise zum Jahreswechsel und einen attraktiven Fürther Kurzstreckentarif – hält Oberbürgermeister Thomas Jung schlicht für "nicht machbar", weil zu kostspielig, wie er den Fürther Nachrichten sagte. Zunächst will er ohnehin abwarten, wie sich die große Nachbarstadt positioniert. Anfang Juli berät der Nürnberger Stadtrat über den ÖPNV, neuerliche Preiserhöhungen – und den Wunsch, sie zu vermeiden.

In seiner Sitzung am 25. Juli ist dann der Fürther Stadtrat am Zug. Jung wagt keine Prognosen, doch er weiß: Beschließt die Nürnberger Kommunalpolitik den vorübergehenden Ausstieg aus der Preisspirale, "dann wird der Druck in Fürth sehr, sehr groß". So groß wohl, dass man den gleichen Weg beschreiten müsste.


+++ Leserforum: Ist Nürnberg viel zu autofreundlich? +++


Hält Nürnberg jedoch an den jährlichen Steigerungen fest, rät der Rathauschef dringend davon ab, "einen Fürther Sonderweg" zu beschreiten. Ein "Auseinanderbrechen der Tarifstruktur" in beiden Städten und deren "lange bewährte Partnerschaft" gelte es zu verhindern. Jung glaubt aber, dass es sinnvolle Kompromisse geben kann. Etwa, indem man die Fahrpreise weniger stark nach oben schraubt, als es der VGN vorschlägt; oder indem man nur bestimmte Ticketarten günstiger anbietet.

Wie es auch kommt: In die Diskussion ist enorm viel Bewegung geraten. Ein "Weiter so" scheint angesichts dessen kaum noch denkbar.

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