Ein Monument

16.4.2014, 11:00 Uhr
Ein Monument

© Hans von Draminski

In Bachs Familie, so heißt es, sprach man stets von der „Großen Passion“. Als außergewöhnlich empfand man demnach auch zu Zeiten des Thomaskantors die Dimension der Matthäus-Passion. Zwei Chöre, Orchester, Solisten – rund 90 Mitwirkende werden nun in der St.Michaels-Kirche das Monumentalwerk gestalten. Am Gründonnerstag, 17. April, 19 Uhr, ist der erste Teil zu hören, Karfreitag, 18. April, 15 Uhr, der zweite. Für Ingeborg Schilffarth und die Mitglieder der Fränkischen Kantorei ist das ein herausragendes Ereignis. „Seit 18 Jahren bin ich mittlerweile da und kann mich nicht an eine Aufführung hier erinnern“, sagt die Chorleiterin.

Zu aufwändig – nicht zuletzt finanziell – ist die oratorische Passion, die höchstwahrscheinlich am Karfreitag des Jahres 1727 in der Leipziger Thomaskirche zum ersten Mal erklang: „So etwas kann man nicht aus dem Ärmel schütteln.“ Allerdings ist 2014 für die Fränkische Kantorei ein Jubiläumsjahr, erklärt Ingeborg Schilffarth: „Das haben wir zum Anlass genommen, dieses ganz besondere Stück in den Blick zu nehmen.“

Als Ewald Weiss 1954 die Mitglieder der soeben ins Leben gerufenen Fränkischen Kantorei zur ersten Probe begrüßte, war zunächst einmal die Wiederentdeckung von Werken alter Meister wie Heinrich Schütz oder Johann Hermann Schein das Ziel. Der von Anfang an überregional gedachte Chor traf sich zunächst in Bayreuth, wo Ewald Weiss Lehrer an der Kirchenmusikschule war. 1965 übernahm sein Sohn Rudolf Weiss, inzwischen Kantor in St. Michael in Fürth, die Leitung. Von nun an wurde die Kleeblattstadt zur Heimat der Fränkischen Kantorei. Seit 1996 arbeitet Ingeborg Schilffarth mit den derzeit 27 Sängerinnen und Sängern. Im vergangenen Herbst sorgte der Chor zum Beispiel für Aufsehen mit einer begeistert aufgenommenen Einstudierung von Georg Friedrich Händels Oratorium „Esther“ im Stadttheater.

Mit großer Lust


Was die Mitglieder der Fränkischen Kantorei auszeichnet, erklärt die Kirchenmusikdirektorin so: „Es sind Amateure mit einem speziellen Interesse für Stimmbildung, von denen einige auch Gesangsunterricht nehmen. Sie alle haben eine große Lust darauf, Dinge zu lernen und zu können, die neu sind.“ Ihr Repertoire ist breit aufgestellt, reicht vom Frühbarock etwa mit Salamone Rossi bis zu Schönberg oder Penderecki und zu Uraufführungen. Schilffarth lobt Engagement und Zeiteinsatz der Beteiligten: „Es gibt hinter den Kulissen sehr viel Hilfe, einer bereitet etwa mp3-Files auf, damit alle zu Hause selbstständig weiter üben können.“

Eine intensive Probenzeit liegt nun hinter Ensemble und Leiterin. Die Matthäus-Passion wird die Fränkische Kantorei gemeinsam mit dem Kammerchor Sonorité Forchheim aufführen. Hier hat Stephanie Spörl das Werk einstudiert, sie wird auch den ersten Teil am Gründonnerstag dirigieren. Schilffarth übernimmt am nächsten Tag die Leitung des zweiten Teils. Dazu kommt das Barockorchester Neue Nürnberger Ratsmusik und die Solisten Maria Barbara Stein (Sopran), Maria van Eldik (Alt), Rüdiger Ballhorn (Tenor), Manuel Warwitz (Tenor), Manuel Krauß (Bass), Thomas Rosenfeldt (Bass). Die Konzerte werden in einem gottesdienstlichen Rahmen stattfinden. Damit jeder die Möglichkeit hat, dabei zu sein, wird kein Eintritt erhoben. Wer das kostenintensive Ereignis unterstützen möchte, kann dies in Form von Spenden tun. Die Platzwahl ist frei, der Einlass erfolgt jeweils 45 Minuten vor Beginn. Für Schilffarth überwiegt jetzt kurz vor der Fürther Aufführung „eine unglaubliche Freude“. Dahinter steht das große Gemeinschaftserlebnis („so viele Menschen, die sich buchstäblich in meine Hände begeben, wenn ich dirigiere“) und die eindringliche Konzentration, die sich mit tiefen Emotionen beim Hören und Erleben verbindet. Die Komplexität der Bach’schen Partitur, sagt die Kirchenmusikerin, beschäftigt und berührt sie immer wieder aufs Neue. Faszinierend sei nicht zuletzt auch sein ungeheures theologisches Wissen gewesen, das in sein Werk einfloss. Nichts scheint absichtslos gesetzt zu sein. Deutungen werden möglich bis hin zur Zahlensymbolik. „Das kann man übertreiben“, mahnt Ingeborg Schilffahrt. Und doch berührt es, wenn sich wie eine Unterschrift des Meisters eine Anspielung auf den Namen Bach (B=2, A=1, C=3, H=8) in der wiederholt auftauchenden Zahl 14 erkennen lässt. . .

„Mit diesem Werk kann man sich bis an sein Lebensende beschäftigen“, sagt die Musikerin. „Mit Bach wird man nicht fertig.“
 

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