Eine Oase in der Frankenwüste

11.12.2013, 10:30 Uhr
Eine Oase in der Frankenwüste

© Hippel

Kingston in Jamaika, London, selbst Birmingham sind aufregende Städte. Von Wien, Los Angeles und San Francisco ganz zu schweigen. Und doch haben sich Courtney Smile (56) und Christoph Jungbauer (46) für Fürth entschieden. Zunächst der Liebe wegen, doch nach und nach erwachte auch die Liebe zu dieser bisweilen verkannten Stadt.

Turbulent ist beider Leben verlaufen. Courtney Smile verbrachte seine ersten 16 Jahre bei der Großmutter in Jamaika, dann zog er nach England zu seinen Eltern, die er kaum kannte. In der berüchtigten Arbeiterstadt Birmingham — Heimat von Black Sabbath, Led Zeppelin und Judas Priest — schloss er sich einem Sportverein an, lief 100 Meter in 10,6 Sekunden und errang den Lorbeer der britischen Meisterschaft. In London sorgte der Jamaikaner als Polizist für Ordnung, später kümmerte er sich um Behinderte. Seine zweite Frau, eine Deutsche, litt unter Heimweh. Ihretwegen wagte Smile den Sprung nach Fürth, wo er als Berufsbetreuer für Behinderte, Alkoholiker und psychisch Kranke da ist.

Der Wiener Christoph Jungbauer machte sich bereits mit 16 Jahren selbstständig, lebte im Kaffeehaus und absolvierte die Wehrpflicht im Offizierslehrgang: „Ich wollte zwar nicht zur Armee, aber wenn ich schon muss, dachte ich, dann will ich nicht der letzte Arsch bleiben!“ Mit dieser Einstellung boxte sich Jungbauer offenbar überall durch. In San Francisco arbeitete er in Restaurants und lernte seine Frau aus Fürth kennen — ausgerechnet in einer Schwulendisco. „Meine Kumpels waren schwul und hatten mich mitgenommen; meine Frau wollte dort einfach nur in Frieden tanzen.“

Das alles klingt aufregend. Das sind doch Lebensschauplätze, die mehr hermachen als Fürth — oder nicht? „Amerika ist ein tolles Land, wenn man jung, reich und gesund ist“, stellt Jungbauer trocken fest. Irgendwann kam er in das Alter, „in dem man was Gescheites machen muss“. Seine große Liebe zog wieder zu den Eltern nach Fürth, nach einigen Monaten kam er nach, sah sich die Gastronomie in Nürnberg an, stieg dort ein. Heute leitet Jungbauer die Gastronomie in der Comödie.

Sowohl Courtney Smile als auch Christoph Jungbauer leben seit rund zwanzig Jahren hier. Wie war die Eingewöhnung? Smile machte, wohl wegen seiner dunklen Hautfarbe, schnell Bekanntschaft mit einer besonderen Form fränkischer Gastfreundschaft: „Es gab eine Zeit, da wurde ich zwei- bis dreimal täglich von der Polizei kontrolliert — und das als ehemaliger Polizist“, erinnert er sich. Immerhin habe man ihn „weder verhaftet noch schikaniert“. Auch mit Behördengängen und Ämterkram, das weiß er noch gut, tat er sich anfangs schwer. Und mit der fränkischen Zurückhaltung. Bis ihn sein Leichtathletik-Trainer erstmals fragte, „Hallo Courtney, wie geht’s?“, vergingen acht Monate. Christoph Jungbauer wurde in der Familie seiner Frau herzlich aufgenommen. Er glaubt, das hatte auch damit zu tun, dass er aus einer attraktiven Stadt stammt: „Es gibt ja keinen, der nicht von Wien schwärmt.“

Das alte Vorurteil (oder den Erfahrungswert) von der fränkischen Miefigkeit, die Moderator Alexander Jungkunz im Lauf der Diskussion anspricht, wollen die Zuhörer im Stadtmuseum übrigens nicht gelten lassen: „Fürth ist eine Oase in Franken, die Leute hier sind so herzlich wie im Ruhrgebiet“, ist zu hören. Eine ältere Frau grenzt Fürth sogar deutlich ab von Städten wie Gunzenhausen, Treuchtlingen, Weißenburg. Ihre Erfahrungen dort: „Du gehst auf den Markt, und die Leute denken, ,Allmächd, die ist ja fremd hier! Soll ich die jetzt ansprechen?‘“

Jungbauer attestiert Fürth die ideale Größe: „Es ist eine Großstadt, aber nicht anonym.“ Manche Leute hier wünschten ja sogar einander „Guten Morgen“, wenn sie auf die U-Bahn warten. Smile witzelt, ihm gehe es in Fürth fast zu beschaulich zu, ihm fehle ein wenig der Kitzel des Gefährlichen. „Die Polizei ärgert mich nicht mehr, die Ämter kennen mich inzwischen, es läuft alles viel zu ruhig.“ Für ihn die größte Überraschung war es, als er erstmals nachts um zehn eine alte Frau Rad fahren sah. „Sowas habe ich in England nicht gesehen, das ist viel zu gefährlich dort, hier ist es möglich.“

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