Eine Sternstunde

30.11.2015, 11:30 Uhr
Eine Sternstunde

© Foto: Martin Bartmann

Martin Lehmann, der den Knabenchor seit 2012 leitet, hat ein Programm vorgelegt, das vom üblichen Schema weit abweicht, wie es aber eben nur ein solches Spitzenensemble darzubieten vermag. Schon in den beiden einleitenden Chorsätzen von Andreas Hammerschmidt wird seine faszinierende Gestaltungskraft deutlich: Alle Augen sind nur auf den Chorleiter gerichtet und nicht ins Notenblatt, und so wird jede Nuancierung des Tempos, jede dynamische Schattierung in perfekter Homogenität umgesetzt, die Töne scheinen in feinstem Piano wie aus dem Nichts zu entstehen.

Ein erster Höhepunkt: das „Advents-Kyrie“ von Günter Raphael mit der Melodie des Geistlichen Volkslieds „Maria durch ein Dornwald ging“ in einem Höchstmaß an Ausdruckstiefe, dazu zwei solistische Sopranstimmen – glockenklar auch in extremer Höhe, mit blitzsauberer Intonation und prägnanter Textgestaltung.

Ebenso in klanglicher Vollendung die Clustermotette für zwei Chöre zu zwölf Stimmen des zeitgenössischen Komponisten Jan Sandström über den schlichten Chorsatz „Es ist ein Ros entsprungen“ von Michael Praetorius.

Dazu musste sich der kleine Chor in den zweiten Rang begeben, von wo der Cantus firmus in ganz breitem Tempo erklang, während der Chor auf der Bühne im gesummten Pianissimo das harmonische Fundament legte. Trotz der räumlichen Entfernung perfekte Homogenität, an musikalischem Tiefgang nicht zu überbieten.

Aber auch in den beiden böhmischen Weihnachtsliedern „Freu dich, Erd und Sternenzelt“ und „Kommet ihr Hirten“, von Lehmann in feiner Nuancierung immer wieder ganz individuell ausgestaltet, setzte der Chor klangliche Glanzlichter. Im vierstimmigen Männerchorsatz „Zu Bethlehem geboren“ durften dann die 30 Tenöre und Bässe mit vollendeter Klangschönheit brillieren.

Ein ganz anderes Klangbild in der achtstimmigen Motette des 1970 geborenen Komponisten Eric Whitacre „Lux aurumque“: schwebende, an einen langen Orgelton erinnernde Klänge. Und zu Benjamin Brittens „A Hymn to the Virgin“ durfte ein Teil des Chors noch einmal in den zweiten Rang hochsteigen und wie einst die Engel in Bethlehem von oben herab singen.

Nicht als instrumentale Füllstücke, sondern nahtlos und stimmig in den Programmablauf integriert, die vier Posaunisten des „Modern Slide Quartetts“ aus Würzburg. Chorsätze und Bläserstücke waren nicht voneinander getrennte Einzelstücke, sondern durchgehend eine musikalische Einheit. So folgten auf das Adventslied „Übers Gebirg Maria geht“ von Johann Eccard aus dem 16. Jahrhundert moderne Klänge aus dem 20. Jahrhundert mit „Quatuor“ von Pierre Max Dubois mit fetzigen Rhythmen und virtuosen Solopassagen.

Zwei „Gebete“ von Francis Poulenc aus „Quatre petites prières de Saint Francois d’Assise“ bildeten mit Max Reger und Benjamin Britten einen Programmblock des 20. Jahrhunderts. Mit den Weihnachtsliedern „Adeste fideles – Herbei, o ihr Gläubigen“ und „In dulci jubilo – Nun singet und seid froh“ als Zugabe endete ein Konzert mit Sängern und Bläsern auf höchstem musikalischen Niveau – eine Sternstunde am Beginn der Vorweihnachtszeit.

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