Eine Steuerfrau in unruhiger See

3.7.2009, 00:00 Uhr
Eine Steuerfrau in unruhiger See

© hjw

Frau Ammon, wie möchten Sie nun eigentlich genannt werden: Kämmererin, Kämmerin oder der Einfachheit halber Finanzreferentin?

Ammon:
Kämmerin oder Finanzreferentin, das ist mir egal. Jedenfalls nicht Kämmererin oder Frau Kämmerer. Wenn man sich allerdings die wichtigste Satzung der Stadt Fürth anschaut, die den schönen Namen «Satzung zur Regelung für Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts», kurz Hauptsatzung, trägt, steht da tatsächlich drin, die Berufsbezeichnungen für die Referate V und II heißen Stadtkämmerer und Stadtbaurat. Weibliche Formen sind nicht vorgesehen.

Werden Sie darauf hinwirken, dass sich das nun ändert?

Ammon:
Die nächste Änderung steht bald an, da werde ich mich sicher für eine Weiblich/Männlich- Variante einsetzen. Der Oberbürgermeister ist ja selber darüber gestolpert, als er den Beschluss, mich zu wählen, vorgelesen hat.

Sie sind, so heißt es, die bisher einzige Frau, die in Bayern ein städtisches Finanzressort leitet, in Fürth die erste Referentin überhaupt. Und dann hat Sie der Stadtrat – auch das zumindest in Fürth ein Novum – noch einstimmig gewählt. Sie müssen doch vor Stolz schier platzen . . .

Ammon:
Natürlich freue ich mich riesig. der Vertrauensvorschuss ist ganz toll. Ich setze damit die Ansprüche, die ich ohnehin schon an mich habe, noch höher. Aber auf Wolke sieben schwebe ich nicht, ich bin ein Typ, der gleich wieder das Arbeiten anfängt.

In der Stadtspitze sind Sie die einzige Frau auf der Referentenbank. Muss man sich da erst mal durchbeißen?

Ammon:
Nein, ich erwarte mir eigentlich eine herzliche Aufnahme seitens der Kollegen . . .

. . . vielleicht zu herzlich – nach dem Motto: Ach schau mal hin, das Mädchen!

Ammon:
Nein, das glaub’ ich jetzt eher weniger. Vielleicht erwarten sich die Kollegen sogar relativ viel Input von mir.

Damit aber genug zum Thema Geschlecht, denn mal ganz ehrlich: Nervt es Sie nicht ein bisschen, wenn immer wieder darauf abgehoben wird, dass Sie eine Frau sind?

Ammon:
Ich habe mich ja davor gefürchtet. dass Sie fragen: Sind Sie nur gewählt worden, weil Sie eine Frau sind . . .

Das haben wir Ihnen erspart.

Ammon:
Gut, aber meine Meinung ist: Die Auswahlkriterien waren Leistung und Fähigkeiten, nicht das Geschlecht.

Zum Ernst des Lebens: Gleich nach Ihrer Wahl ging es in der jüngsten Ratssitzung um die Schieflage der Finanzen. Die Steuereinnahmen brechen wegen der Wirtschaftskrise weg, Projekte müssen verschoben werden. Ein denkbar ungünstiger Start für Sie, oder?

Ammon:
Ja sicher, mein ursprüngliches Ziel, finanziell mehr Gestaltungsspielraum für die anderen Referate zu schaffen, muss ich erstmal hintanstellen. Wir müssen jetzt schauen, dass wir unbeschadet ans Ende dieses Tals kommen. Das Schönste wäre für mich, wenn die Krise sich sogar als Chance erweist, wenn wir durch das gemeinsame Zusammenwirken das Defizit zwischen unseren relativ geringen Einnahmen und den Ausgaben verringern könnten.

Das klingt jetzt aber ein bisschen wie das Pfeifen im dunklen Wald . . .

Ammon:
Es klingt wie eine Vision, und die kann nur dann wahr werden, wenn wir in der Verwaltung alle an einem Strang ziehen, alle Mitarbeiter und auch die Bevölkerung informieren und einbeziehen.

Schön formuliert. Heißt das nicht einfach: Leute, wir müssen knallhart sparen?

Ammon:
Nicht unbedingt, wir können ja auch neue Einnahmen generieren oder die bisherigen effektiver nutzen.

Was stellen Sie sich konkret vor?

Ammon:
Wenn wir zum Beispiel sagen, die Wartezeit in Behörden darf für die Bürger nun zehn statt fünf Minuten betragen, birgt das schon ein Einsparpotenzial. Man kann auch die freiwilligen Aufgaben noch einmal auf den Prüfstand stellen.

Das beträfe aber vor allem die Zuschüsse für Vereine und Verbände . . .

Ammon:
Ja, aber die Zuschüsse, die die Stadt Fürth da zahlt, sind ja nun nicht so hoch.

Schon, aber für den einen oder anderen Verein sind 1000 Euro mehr oder weniger eminent wichtig . . .

Ammon:
Ich glaube nicht, dass wir uns wegen 1000 Euro überhaupt unterhalten, wir müssen schon an die großen Ausgabenblöcke heran.

Allzu viel Spielraum gibt es aber doch nicht. Museen und Theater wird wohl kaum jemand schließen wollen . . .

Ammon:
Über Schließungen wird man sicher nicht nachdenken, die kulturellen Einrichtungen sind ja weiche Faktoren, die die Stadt liebenswert machen. Aber auch hier kann man Standards zurückfahren, indem man auf die eine oder andere Veranstaltung verzichtet und damit zum Sparen beiträgt.

Haushaltspläne – das ist eine trockene Materie. Sind Sie eigentlich ein Zahlenmensch?

Ammon:
Ja! Ich habe zwei Leidenschaften: Die eine ist Kommunikation, die andere sind Zahlen. Erstens ist mein Vater Diplom-Mathematiker, der hat mir das in die Wiege gelegt. Ich merke aber auch, dass Zahlen gut geeignet sind, komplexe Sachverhalte kurz und bündig darzustellen.

Das klingt, als würden Sie das richtig spannend finden . . .

Ammon:
Ja, sehr! Ich bin auch ein Freund von Benchmarking, weil ich glaube, dass wir uns sehr gut mit anderen Städten oder sogar mit Produkten aus der Privatwirtschaft vergleichen können. Das geht aber nur, wenn wir fundierte Zahlen aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich haben, wenn das Ist-Material stimmt. Nur dann kann man gut interpretieren.

Was bei aller Bedeutung der Finanzen etwas ins Hintertreffen gerät: Sie sind auch für die 2400 städtischen Beschäftigten zuständig. Was genau bedeutet das – und für welchen Ihrer Arbeitsbereiche müssen Sie mehr Zeit aufwenden?

Ammon:
Das eine geht ins andere über. Aber ich gehe davon aus, dass ich in der ersten Zeit, vor allem auch angesichts der derzeitigen Rezession, 60 Prozent für den Finanzbereich aufbringen werde, den Rest für die anderen Bereiche: Personalorganisation, Einstellungen, Beförderungen, aber auch den Bereich IT. Denn auch wenn jetzt die neue KommBIT gegründet wird, bleibt die IT-Strategie unsere Sache. Da werde ich mich noch ganz schön einarbeiten müssen.

Eine Frage zum Schluss: Sie werden als einziges Mitglied der Stadtführung keiner Partei angehören. Macht Sie das unabhängiger – oder tut man sich ohne «Hausmacht» im Rücken schwerer?

Ammon:
Ich sehe meine Arbeit weniger politisch, sondern ich sehe mich eher als Steuerfrau, die das Schiff mit dem Kapitän OB und Stadtrat durch unruhige Zeiten segelt. Mir ist aber auch klar: Ohne eine Zusammenarbeit mit den Stadtratsfraktionen geht überhaupt nichts.

Aber der Eintritt in eine Partei steht nicht unmittelbar bevor?

Ammon:
Nein.