Eintauchen am Wendepunkt

26.1.2011, 13:40 Uhr
Eintauchen am Wendepunkt

© Hans-Joachim Winckler

„Wunderschön, das ist wirklich schön.“ Janice Rubin gefällt, was sie sieht. Zum ersten Mal, sagt die zierliche Amerikanerin, hängen ihre Aufnahmen auf so engem Raum wie im Jüdischen Museum in Fürth: „Das schafft eine ganz besonders intime Atmosphäre“, stellt sie fest. Ihr erster Weg habe sie zur historischen Mikwe im Keller des Museums geführt, die seit 1702 vom Grundwasser gespeist wird. „Das Bad erscheint mir wie der Anker dieses Hauses. Ich habe das Gefühl, dass meine Aufnahmen in den oberen Stockwerken jetzt mit dieser Mikwe in einen Dialog treten.“

Gemeinsam mit Schriftstellerin Leah Lax hat sich die Fotografin mehrere Jahre lang damit auseinandergesetzt, wie jüdische Frauen das Gebot der rituellen Reinigung umsetzen (wir berichteten). Die überaus intimen, sehr persönlichen Aufnahmen und Texte waren seit 2001 in vielen amerikanischen Städten zu sehen und werden nun in Europa gezeigt.

Für ihre Aufnahmen habe sie damals natürlich die orthodoxen Rabbiner um die Erlaubnis bitten müssen, damit sie mit ihren Modellen in den verschiedenen Ritualbädern arbeiten durfte: „Sie haben mir stets vertraut“, erklärte die schmale Frau mit den wachen Augen gestern, „und ich habe ihnen versprochen, das Thema und den Ort mit Respekt und Würde zu behandeln.“

Ein Ansatz, der sich in den Fotos deutlich widerspiegelt. Eine große Ruhe und Selbstverständlichkeit strömen die Bilder aus. Der Betrachter spürt, dass er Zeuge eines ganz besonderen Augenblicks wird. „Ich habe ganz bewusst Frauen fotografiert, die in diesem Moment an einer Schwelle ihres Lebens standen, an wichtigen Wendepunkten“, sagt Janice Rubin. Manche wollten bald heiraten, andere waren von langer Krankheit genesen oder mussten sich mit einer Scheidung auseinandersetzen.

Ausdauer dank Yoga

Janice Rubin benutzte Unterwasserkameras und spezielle Lampen. Bei der Arbeit assistierte ihr lediglich eine Freundin: „Sie musste das Licht halten und mich mit einem Fuß unter Wasser drücken, weil ich sonst ganz automatisch ständig nach oben gekommen wäre“, verrät die Fotografin und lacht. Dabei hätte sie liebend gerne noch viel länger getaucht, denn „es war so aufregend, was ich da alles sah“. Ab und zu habe ihre Freundin Angst bekommen, weil sie so lange unter Wasser blieb: „Sie nahm dann ihren Fuß weg, wollte, dass ich auftauche. Aber ich gab ihr immer Zeichen, damit sie mich wieder runterdrückt.“ Damals sei sie dank Yoga wirklich gut im Luft Anhalten gewesen.

„Das Mikwen-Projekt“, sagt die Künstlerin, habe ihr gezeigt, dass archaische Rituale wichtig und lebendig bleiben, wenn sie mit individueller Bedeutung erfüllt werden. „Diese Frauen haben der rituellen Reinigung in der Mikwe, die ihre Wurzeln in der Tora hat, eine ganz eigene, persönliche Geltung gegeben.“ Das habe sie inspiriert und sei auch für sie „der Beginn einer langen Reise“ geworden. Seither habe sie begonnen, sich bewusst mit jüdischen Ritualen zu beschäftigen und sie zu leben.

Janice Rubin ist zum ersten Mal in Deutschland. Kaum 24 Stunden hier, hat sie das Gefühl, dass „die Menschen sehr entgegenkommend sind“. Vor der Reise sei sie nicht frei von Bedenken gewesen. Familienmitglieder und Freunde seien in Auschwitz ermordet worden, selbstverständlich spiele die Shoah beim Gedanken an dieses Land eine Rolle: „Aber ich weiß, dass sich vieles hier um 180 Grad geändert hat, dass es eine andere Zeit ist und eine neue Generation. Ich bin froh über die Chance, Deutschland nun aus einer anderen Perspektive zu sehen.“

„Das Mikwen-Projekt“ — Fotografien von Janice Rubin, Texte von Leah Lax: Jüdisches Museum Franken (Königstraße 89), dienstags 10–20 Uhr, mittwochs bis sonntags 10–17 Uhr. Bis 13. März.