Fast fünf Jahrzehnte Einzelhandel sind vorbei

2.6.2012, 16:00 Uhr
Fast fünf Jahrzehnte Einzelhandel sind vorbei

© Edgar Pfrogner

„Ach, das tut mir aber leid.“ Eben hat die ältere Dame eine Pinzette gekauft; jetzt erfährt sie, dass die Tage des auf Elektrorasierer spezialisierten Geschäfts gezählt sind. Ein Verlust, den sie bedauert. Wenn Rudolf Angerer jedoch seinen Blick über die niedrigen Holzregale schweifen lässt, ist in seinem Gesicht kaum Wehmut abzulesen. Immerhin hat er 42 Jahre bei Elras — der Name ist übrigens die Kurzform von „Elektrorasierer“ — hinter der Theke gestanden, Kunden beraten, Geräte repariert.

Vielleicht kommt bei Angerer kein Schmerz auf, weil für ihn noch nicht ganz Schluss ist Ende Juni. Denn: Der 65-Jährige will seinen alten Stammkunden weiterhin treu sein. In seinem Wohnhaus in Veitsbronn wird es deshalb einen kleinen Verkaufsraum für ein abgespecktes Sortiment geben, außerdem wird er sich weiterhin um kaputte Rasierer kümmern. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er schon seit längerer Zeit nicht mehr glücklich ist mit dem Standort in Fürth und dem Zustand der Innenstadt.

„Früher“, sagt Angerer, „war das City-Center noch ein Magnet.“ Doch seit das Einkaufszentrum erst an Attraktivität verlor und schließlich geschlossen wurde, gehe es auch für die Fußgängerzone und die daran angrenzenden Läden bergab. Fast 30 Jahre lang hat Angerer sein Geschäft in der Schwabacher Straße betrieben, dann, als die Miete dort in schwindelerregende Höhen stieg, zog er um in die Blumenstraße.

Die Tatsache, dass die Preise in der Schwabacher Straße, also in 1a-Lage, um rund das Doppelte teurer sind als in den Seitenstraßen, ist auch Oberbürgermeister Thomas Jung nicht unbekannt. Momentan allerdings seien selbst Läden abseits der Fußgängerzone gefragt. „Seit das City-Center leer ist, würden sich viele auch mit einer Nebenlage zur Schwabacher Straße abfinden“, so Jung. Allerdings gebe es mittlerweile auch dort kaum mehr freie Läden. Besondere Unterstützung seitens der Stadt gibt es für Geschäfte, die etwas abseits der großen Kundenströme liegen, nicht. „Am hilfreichsten ist auch da immer noch Mund-zu-Mund-Propaganda“, ist sich das Stadtoberhaupt sicher.

Fast nur Stammkunden

Das mag auch Rudolf Angerer nach seinem Umzug in die Blumenstraße geholfen haben. Schließlich habe er beinahe ausschließlich Stammkunden gehabt, die bei ihm nicht nur Rasierer und Zubehör kauften, sondern auch Utensilien für Maniküre und Pediküre, Epiliergeräte, diverse Outdoor- und Campingartikel sowie frei verkäufliche Waffen. Sich ausschließlich auf Rasierapparate zu spezialisieren, sei irgendwann nicht mehr genug gewesen. „Die sind inzwischen zum Mitnahmeartikel beim Discounter geworden.“ Auch als der Elektronikmarkt Saturn in Fürth seine Pforten öffnete, ist bei Angerer ein Umsatzrückgang zu spüren gewesen.

Möglicherweise ist auch dies ein Grund, warum er, der jetzt in Rente geht, keinen Nachfolger gefunden hat. „Es läuft schon ganz gut, aber nicht sehr gut“, sagt Angerer, der froh ist, dass der monatliche Druck, gewinnbringend zu arbeiten, bald der Vergangenheit angehört. Wenn er dann, wie jedes Jahr, an Weihnachten seine Stammkunden anschreibt, wird er sie wissen lassen, dass sie nun bei ihm in Veitsbronn, nach telefonischer Anmeldung, weiter von ihm bedient werden.

Wer den Laden in der Blumenstraße übernimmt, steht noch nicht fest. Thomas Jung wäre froh, der Vermieter würde darauf achten, dass eine gute Mischung an Geschäften in der Stadt erhalten bleibt. „Einfluss darauf können wir aber leider nicht nehmen“, so der Oberbürgermeister. Die letzte Entscheidung liege immer noch beim Vermieter.

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