Filterlose Ehe-Dosis

2.12.2009, 00:00 Uhr
Filterlose Ehe-Dosis

© Hans-Joachim Winckler

Mehr als hundert Jahre und einige Zigarettenlängen trennen die beiden Texte voneinander. Kettenraucher Edward Carr, ein scheinbar urtypischer Vertreter des American Way of Life, spricht auf der Trauerfeier für seine Frau Mary Jo - und aus ihm bricht heraus, was offenbar schon lange mal raus musste. Neil LaBute, einer der angesagtesten Dramatiker der Gegenwart, schrieb den Monolog «Heimgegangen« 2005, deutsche Erstaufführung war in Mannheim. «Mir war sofort klar, das wollte ich machen«, sagt Regisseur Müller. LaBute erzähle von einer so bedingungs- wie rücksichtslosen Liebe und davon, «welche unterschiedlichen Formen von Liebe es geben kann«.

Darauf erst mal eine Zigarette - oder nicht? Nein, sagt Michael Vogtmann, das Rauchen stehe gar nicht im Vordergrund, weder in «Heimgegangen« noch in Anton Tschechows deutlich humoristischerem Solo «Über die Schädlichkeit des Tabaks«. «Es ist«, so der in München lebende Schauspieler, den die Fürther zuletzt 2006 als Baumeister Solness sahen, «es ist ein Topos und steht im übertragenen Sinn für ein Suchtverhalten«. Bindung heißt diese Sucht, Ehe, Nicht-Loslassen-Können.

Auch Tschechows Iwan Iwanowitsch Nuchin - mit seinem Monolog beginnt der 90-Minuten-Abend in der Großen Kufo-Halle - steht unterm Pantoffel einer resoluten Gattin. Einen Vortrag über die Schädlichkeit des Rauchens hat sie ihm befohlen, doch Nuchin, kaum weniger mitteilsam als sein amerikanischer Leidensgenosse, verstrickt sich in Episoden, die vor allem eins verraten: Diese Beziehung muss in die Werkstatt, und zwar dringend.

Zwei Stücke, wie sie konträrer kaum sein könnten. Tschechows Sprachduktus und Gesellschaftsbild sind fest verhaftet im Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts, LaBute wiederum hat mit den Mitteln der Alltagssprache der Nuller-Jahre einen forschen Amerikaner auf die Bühne gehievt. Und doch liegen auch LaButes literarische Wurzeln im poetischen Realismus der großen alten, aber immer noch aktuellen Beziehungsversteher Ibsen und Tschechow.

Ohne Pause zwischen Monolog und Monolog wird sich Vogtmann - Müller: «Für den Typus dieses Amerikaners war er meine Idealbesetzung« - ins Wortgetümmel werfen. Vorm Alleinsein auf der Kufo-Bühne hat er keine Angst, denn die Arbeit mit Müller sei vertrauensvoll und entspannt. Dennoch: «So viel Text lernst du nur mit einer ausgetüftelten Logistik«, so der film- und fernseherfahrene Schauspieler. Vogtmann hat beide Soli für sich selbst aufgeschrieben, das hilft beim Auswendiglernen. «Und dann gibt es nur noch eins: lesen, lesen, lesen.« Und auf keinen Fall: qualmen, qualmen, qualmen. Vogtmann rauchte seine letzte Zigarette vor zehn Jahren. Von einem Tag auf den anderen war Schluss. Warum? «Weil Rauchen das Sinnloseste auf der ganzen Welt ist.«MATTHIAS BOLL

«Über die Schädlichkeit des Tabaks«/«Heimgegangen«: Premiere am 4. Dezember, 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2). Weitere Termine: 5. und 10.–12. Dezember. Tickets (Premiere 20, sonst 16 Euro): Tel. 9742400.