Frankenkonvoi: Fürther hilft in Flüchtlingslagern an EU-Grenze

19.3.2016, 12:00 Uhr
Frankenkonvoi: Fürther hilft in Flüchtlingslagern an EU-Grenze

© Foto: privat

Im September 2015, als auf einmal Flüchtlinge in großer Zahl hier ankommen, will auch Tom Geisbüsch helfen. In der Unterkunft im Höffner-Gebäude ist er beeindruckt von der spontanen Hilfsbereitschaft der Fürther. Seine Spenden können allerdings nicht angenommen werden – es gibt von allem schon zu viel. Geisbüsch sieht, dass die Flüchtlinge hier materiell gut versorgt sind. Doch er fragt sich auch: Was ist mit denen, die noch unterwegs sind und irgendwo auf der Balkanroute festsitzen? Denn von dort kommen erschreckende Meldungen.

Der Fürther entscheidet sich spontan, dort zu helfen,. Auf Facebook postet er: "Leute, ich halt’s nicht mehr aus. Ich fahr da jetzt hin. Schreibt mir, wie viel ihr spenden wollt, ich schieß das dann vor." Zwei Tage später ist er auf dem Weg ins 1000 Kilometer entfernte Osijek – zusammen mit zwei erfahrenen Aktivistinnen aus München, von denen eine kroatisch spricht.

Tagsüber ist es heiß, nachts sehr kalt

"Ich hatte vorher schon richtig Angst. Ich bin kein Held und wusste auch nicht, ob ich das verkrafte, so viel Elend zu sehen." Noch während der Fahrt gehen über 1300 Euro an Spenden aus seinem Bekanntenkreis ein. In Kroatien kauft das Trio Lebensmittel und andere dringend benötigte Dinge und reist weiter zur serbisch-kroatischen Grenze – nach Tovarnik, wo chaotische Zustände herrschen. Die großen Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, "waren mit der Situation völlig überfordert", berichtet Geisbüsch. "Von denen war weit und breit nichts zu sehen.Die einzigen Helfer vor Ort waren Freiwillige wie wir."

Die Bedingungen für die Flüchtlinge an der EU-Grenze sind hart: Tagsüber ist es sehr heiß, nachts kühlt es auf fünf Grad herunter. Die Menschen werden zu Tausenden zur Grenze geschickt, wo sie zwischen Minenfeldern aus dem Balkankrieg unter freiem Himmel übernachten müssen.

Geisbüsch ist fassungslos: "Da war ein Friedhof, und kleine Kinder haben auf Gräbern schlafen müssen." Die einschneidende Erfahrung, sagt er, hat sein Leben verändert. "Aber danach hatte ich plötzlich ganz viel Hoffnung. Ich habe dort so viele, oft ganz junge Leute aus der ganzen Welt gesehen, die geholfen haben. Manche haben spontan ihren Urlaub abgebrochen, als sie mitbekommen haben, was da los ist."

Zu viel gesehen

Nach seiner ersten Reise ist Tom Geisbüsch klar, dass er so schnell wie möglich wieder los muss. Er hat zu viele Dinge gesehen, die er nicht verdrängen kann, er will nicht einfach wieder in sein normales, komfortables Leben schlüpfen. „Da war ein Syrer, Mohammed aus Aleppo, der die ganze Nacht bei fünf Grad in Flip-Flops mitgeholfen hat. Sanftmütig, freundlich, geduldig, wie ein Heiliger.“ Er habe dann erfahren, dass Mohammeds Frau und seine Kinder vom IS getötet wurden. „Das hat mir gezeigt, warum ich das mache und warum ich nicht mehr aufhören kann.“

Geisbüsch hat inzwischen drei weitere Fahrten auf den Balkan organisiert. Zuletzt habe sich vieles gebessert. „Wenn Europa sich einmauert, kann sich das aber schnell wieder ändern“, sagte er vor einiger Zeit – inzwischen hat sich seine Prophezeiung bewahrheitet: Nach der Abriegelung der Balkanroute werden die Zustände für die Menschen, die nun festsitzen, tagtäglich prekärer.

Jede Fahrt ist eine Herausforderung

Momentan ist der Frankenkonvoi eine Ein-Mann-Initiative mit einer Reihe von Unterstützern aus dem Bekanntenkreis, demnächst soll daraus ein gemeinnütziger Verein werden. Klein und flexibel soll das Projekt aber bleiben, um dort ansetzen zu können, wo die großen Hilfsorganisationen und die Regierungen versagen.

Jede Fahrt sei eine logistische Herausforderung, die viel Zeit und Geld kostet, so Geisbüsch. Inzwischen hat er jedoch ein weit verzweigtes Netzwerk von Aktivisten und Hilfsorganisationen in ganz Europa gesponnen.

Seine bisher letzten Fahrten führten ihn zweimal nach Dünkirchen an der nordfranzösischen Atlantikküste, in eines der schlimmsten Flüchtlingscamps, eine Zeltstadt mit bis zu 3000 Männern und Frauen. Wie die Menschen in Calais wollen die dort festsitzenden Flüchtlinge nach Großbritannien, wo viele von ihnen Angehörige haben. Manche versuchen es seit Monaten, oft in verzweifelt-waghalsigen Aktionen, die immer wieder tödlich enden. „Das waren bisher die schlimmsten Reisen“, erzählt Geisbüsch. Das Szenario unmittelbar neben Einfamilienhäusern und einem Einkaufszentrum, mitten im wohlhabenden Westeuropa, hat ihn weit mehr entsetzt als die Zustände auf dem Balkan: Kinder, die den ganzen Tag im Schlamm stehen, habe er gesehen, hunderte Ratten und unbeschreibliche hygienische Zustände.

Wer Tom Geisbüsch bei seiner Arbeit unterstützen möchte, findet weitere Informationen unter www.frankenkonvoi.de