Frischer Wind in die alte Demokratie

10.9.2012, 13:00 Uhr
Frischer Wind in die alte Demokratie

© H.-J. Winckler

Herr Meyer, wären Sie auch politisch aktiv geworden, wenn es die Piraten nicht gäbe?

Alexander Meyer: Ich denke schon. Bevor ich zu den Piraten ging, habe ich mich bei den Grünen, der FDP und SPD informiert. Doch das scheiterte alles an irgendwelchen Terminabsprachen, es war sehr langwierig, an die Informationen zu kommen.

War das bei den Piraten anders?

Meyer: Ja, da konnte man sich sofort einbringen. Ich bin nicht in den Kreisvorstand gewählt, aber ich helfe, wo es geht. Wenn die Belastung durch das Studium geringer wird, kann ich mir vorstellen, mich auch für ein Wahlamt zur Verfügung zu stellen. Ich finde es gut, dass die Hierarchien flach sind. Keiner muss einen Posten haben, um mitreden zu können.

Piraten sind Nerds, Menschen, die nur in Notfällen ihren Platz vor dem PC verlassen. Sie geraten in Panik, wenn sie mal kein Netz haben ...

Meyer: ... nicht zu vergessen wir sind frauenfeindlich und rechtsradikal.

Wie oft werden Sie mit solchen Vorurteilen konfrontiert?

Meyer: Das kommt schon hin und wieder vor, das sind wie gesagt Vorurteile. Wir treffen uns zum Beispiel regelmäßig in der Fürther Kofferfabrik, da kann jeder, egal ob Pirat, parteilos oder in einer anderen Partei, Jung oder Alt, Mann oder Frau vorbeischauen und mitreden, ganz real. Und es gibt sogar einen älteren Besucher unseres Stammtisches, der regelmäßig mitdiskutiert und nicht einmal einen Computer hat. Er hat einfach keine Lust, sich mit dem Internet auseinanderzusetzen. Wir wären doch blöd, wenn wir die Lebenserfahrung solcher Leute nicht nutzen würden, nur weil bei ihnen kein PC zu Hause steht.

Zugang zum Internet, digitale Kommunikation, Datenschutz, Urheberrechte — das sind aber doch die Themen, mit denen die Piraten auffallen. Was interessiert Sie darüber hinaus?

Meyer: Ganz wichtig ist unser Verständnis von Demokratie. Es geht viel weiter, als das heute gelebt wird. Wir verstehen nicht darunter, dass es reicht, alle paar Jahre ein Kreuzchen zu machen. Wir wollen, dass die Bürger viel häufiger gefragt werden und gleichberechtigt mit Politikern mitbestimmen können.

Wenn es um Fragen wie beispielsweise den Euro-Rettungsschirm geht, dann könnten die meisten Bürger schon Probleme haben, fachlich fundiert mitzureden.

Meyer: Das stellen wir auch fest. Um wirtschaftspolitische Fragen geht es derzeit bei unseren Treffen häufig. Hier müssen wir uns noch Kompetenzen erarbeiten. Dafür haben wir eigens Arbeitskreise eingerichtet. Bei uns ist jeder willkommen, der sein Wissen einbringen will.

Womit wollen die Piraten auf kommunalpolitischer Ebene punkten?

Meyer: Wir maßen uns nicht an, zu jedem Projekt auf lokaler Ebene eine Meinung zu haben. Aber unser Tool „Adhocracy“ ist hier sehr nützlich.

Adhocracy? Das müssen Sie erläutern.

Meyer: Das ist eine Software, die eigens dafür entwickelt wurde, damit jeder teilhaben kann: Vorschläge machen, mitdiskutieren oder abstimmen und Entscheidungen vorantreiben. Hier können sich auch Bürger aus den Gemeinden melden und ein Problem vor Ort schildern. Das kann eine Bürgerinitiative sein, aber auch ein Einzelner. Wir sehen uns das an, tauschen uns aus, stimmen darüber ab. Das entspricht meinem Demokratieverständnis.

Im Landkreis möchten die Piraten einen Stammtisch in Wilhermsdorf etablieren. Wie ist das erste Treffen gelaufen?

Meyer: Wilhermsdorf ist eher klein und ziemlich weit außerhalb. Mit viel Interesse hatten wir nicht gerechnet, und das blieb auch aus. Trotzdem gibt es auch dort aktive Piraten mit dem Plan, die Verwaltung transparenter zu machen und den Bürgern mehr Mitbestimmung zu ermöglichen. Es gibt momentan die Idee, in anderen Gemeinden Stammtische zu etablieren — wie immer bei uns hängt es einfach von den Bürgern ab, ob sie sich überhaupt beteiligen wollen.

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