Fürth muss Bürger für Straßenausbau zur Kasse bitten

31.3.2017, 11:20 Uhr
Fürth muss Bürger für Straßenausbau zur Kasse bitten

© Foto: Berny Meyer

Bis 8. März 2016 gab es keine Frist, in der Kommunen Anlieger für den erstmaligen Straßenausbau anteilig zur Kasse bitten müssen. Nach der Novelle des Kommunalabgabengesetzes verfallen die Ansprüche nun aber, wenn sie länger als 25 Jahre zurückliegen. Stichtag für die neue Regelung ist der 1. April 2021. In Fürth betrifft es nach den Worten von Baureferent Joachim Krauße rund 100 Straßen, die vor dem 31. März 1996 in Angriff genommen worden sind.

"Wir können keinen Irrsinnsaufwand betreiben, nur um Bürgern möglichst viel Geld abzuknöpfen", betonte Oberbürgermeister Thomas Jung noch im Februar-Bauausschuss. Dabei hatte das städtische Rechtsamt schon Bedenken gegen den Vorstoß des Ausschusses im Oktober 2016 zum Verzicht auf die Anliegeranteile für das sogenannte Straßenbegleitgrün angemeldet. Um nicht einseitig Anlieger begrünter Straßen zu begünstigen, wurde im Februar nun, wie berichtet, trotzdem auch der Verzicht auf die Beiträge für noch nicht ganz fertiggestellte Straßen ins Auge gefasst.

Praktische Überlegungen

Hinter dieser Großzügigkeit stehen durchaus praktische Überlegungen: Mit dem Bearbeiten vieler für die Stadtentwicklung wichtiger Neubauprojekte ist die Bauverwaltung derart ausgelastet, dass für das Abarbeiten von Straßenbau-Altlasten kaum noch Kapazitäten frei sind.

Das Hauptproblem bei der Abrechnung liegt im Umfang der Arbeiten. Zur Kasse bittet die Stadt Anlieger nämlich erst dann, wenn eine Straße komplett ausgebaut ist. Da bisher kein Zeitdruck zur Abrechnung bestand, legte man auf die Vollständigkeit in der Vergangenheit oft keinen gesteigerten Wert. Wichtiger war es, Neubaugebiete rasch für den Verkehr zu erschließen. Ob noch ein Straßenstück fehlte, ein Gehsteig, ein Kanal oder die endgültige Fahrbahndecke, war zweitrangig.

Wie Tiefbauamtschef Hans Pösl auf Anfrage der Fürther Nachrichten erläutert, müsste die Kommune Millionen von Euro investieren, um bis 2021 alle ausstehenden Restarbeiten an noch nicht abgerechneten Straßen vorzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass die Bauverwaltung personell gar nicht in der Lage sei, die dazu nötigen Planungen und Ausschreibungen rechtzeitig zu erledigen.

Die Kleeblattstadt ist finanziell mittlerweile recht solide aufgestellt. Deshalb sieht der OB kein Problem im Verzicht auf alte Anwohnerbeiträge. Dabei sind andere Gemeinden wie zum Beispiel Ebermannstadt mit dieser Haltung bereits auf die Nase gefallen. Da die Rechtslage kein kommunales Entgegenkommen zulässt, muss sich die Fürther Bauverwaltung nun also an die Zusatzarbeit machen. Weil auch der Baureferent absehen kann, dass alles fristgemäß gar nicht zu schaffen ist, hat Krauße einen Vorschlag zur Güte parat: Anhand einer Prioritätenliste sollen bis 2021 der Reihe nach wenigstens jene Straßenbaumaßnahmen abgeschossen und abgerechnet werden, die am meisten Geld in die Stadtkasse spülen. Damit könne die Stadt gegenüber der Regierung zugleich den Verdacht der Untätigkeit entkräften.

Dass diese Praxis den Neid der zur Kasse Gebetenen gegenüber den Verschonten hervorrufen könnte, befürchtet der Baureferent nicht. Auch in den Nachbarstädten werde nicht anders verfahren. Hier würden nun ebenfalls zumindest die Straßen fertig gestellt, in die schon erheblich investiert wurde. Vorauszahlungen hat die Kleeblattstadt bislang nicht verlangt.

In Fürth wurden jetzt 14 Straßen begutachtet, in die bisher am meisten kommunales Geld geflossen ist: Banderbacher Weg, Ligusterweg, Lycker Straße Mannhofer Straße, Rennweg, Saatweg, Schlossgarten, Sichelweg, Südweg, Uhlandstraße, Untere Straße, zwei Abschnitte der Vacher Straße und Wilhelmstraße. Rund sieben Millionen Euro müsste die Stadt in deren Endausbau investieren. Im Gegenzug könnte sie dann 420 655 Euro von Anliegern einfordern. Bei sieben dieser Straßen stehen teure Kanalbaumaßnahmen an, die zum Teil bereits begonnen worden sind.

Der Ausbau der restlichen begonnenen, aber noch nicht fertiggestellten Straßen würde nach überschlägigen Berechnungen des Bauamts rund 18 Millionen Euro verschlingen. Die Kommune wäre daran mit vier bis sechs Millionen Euro beteiligt, könnte von Anliegern jedoch wegen der besonderen Grundstücksverhältnisse dort nur etwa 310 000 Euro einfordern. Ein Grund für Krauße, diese Maßnahmen nicht zu priorisieren.

Konsequenteres Vorgehen

Am 5. April soll der Bauausschuss den Weg für die ungeliebte Anwohnerbeteiligung frei machen. Joachim Krauße hätte sich einen sanfteren Ausklang seiner Amtszeit am 1. August gewünscht. Doch er meint augenzwinkernd: "Jedenfalls kann mir niemand nachsagen, dass ich mich gedrückt hätte." Mit den Auswirkungen muss sich dann Kraußes Nachfolgerin Christine Lippert herumschlagen.

Hans Pösl zieht beim Straßenausbau eine konsequentere Praxis in Erwägung, um die Auflagen erfüllen zu können. Damit künftig kein Anspruch verjährt, soll ein Ausbauprogramm aufgestellt und darauf geachtet werden, dass die beschlossenen Pläne auch zeitnah umgesetzt werden und man sie keinesfalls nachträglich wieder über den Haufen wirft.

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