Fürther Traditionsgeschäft: Frau Zettner sperrt zu

29.12.2017, 12:00 Uhr
Fürther Traditionsgeschäft: Frau Zettner sperrt zu

© Foto: Hans-Joachim Winckler

". . . und was ist mit meiner Speckwurst? Bekomm’ ich die jetzt wirklich nicht mehr bei Ihnen?" Der Mann schaut ungläubig. Irmgard Zettner schüttelt den Kopf. "Den guten Fleischsalat auch nicht?" Nein. Auch den wird es hier nicht mehr geben. In dem kleinen Geschäft schräg gegenüber vom Fürther Rathaus drängen sich zum letzten Mal die Menschen und hören der lebhaften Frau hinter der Theke zu.

"Eigentlich wollte ich ja erst an Silvester zumachen, aber jetzt hab‘ ich ganz einfach keine Ware mehr", sagt Irmgard Zettner. "Die Leute haben sich Vorräte angelegt und mir alles weggekauft." Ein Leben lang drehte sich für die 75-Jährige aus Stadeln fast alles um den kleinen Verkaufsraum. Ihre Mutter eröffnete das Geschäft im November 1948. Die neue Währung namens D-Mark war da gerade einmal ein Vierteljahr alt. "Ich bin in dem Laden quasi aufgewachsen", erinnert sich Zettner.

1965 übernimmt sie das Geschäft. "Meine Mutter hat mir ans Herz gelegt, dass ich nach ihrem Tod nach einer versteckten Kiste suche und den ganzen Inhalt verbrenne." Die Tochter erfüllt den Wunsch und findet "Schwarten"-Bücher, in die ihre Mutter eingetragen hatte, wer wie viel hatte anschreiben lassen. "Aber sie war keine, die das Geld eingefordert hätte, sondern sie hat immer gemeint: ,Nach dem Krieg hat doch keiner was gehabt.‘"

Zur treuen Kundschaft, die Irmgard Zettner an ihrem letzten Arbeitstag noch einmal besuchen, gehört auch der Rathauschef. Oberbürgermeister Thomas Jung lobt: "Sie hat hier nicht nur wunderbare Wurst und sehr gutes Brot verkauft, sondern auch mit ihrer unglaublichen Kommunikationsgabe begeistert." Soll heißen: "Wer kam, musste etwas Zeit mitbringen, weil es immer ein Gschichtla zum Einkauf dazu gab." Die so Gelobte ergänzt das Kompliment gelassen: "Ab und zu wollten manche nicht so lange warten und sind weggelaufen, bevor sie dran waren."

Um 11 im Laden, um 1 Uhr im Mutterglück

Ein Fehler. Denn die Eiligen verpassten nicht nur die legendären Schmalzbrote, sondern auch Anekdoten wie diese: "Ich hab’ hier immer gerne gearbeitet, auch als ich mein zweites Kind bekommen hab’. Um 11 Uhr hab’ ich noch verkauft, um 1 Uhr hab’ ich’s auf die Welt gebracht. Da sieht man doch mal wieder, was Frauen alles verkraften. Männer dagegen. . . Wer weiß, vielleicht wären wir schon ausgestorben, wenn die die Kinder bekämen."

Tatsächlich sei es nach und nach aber immer ruhiger geworden um ihren Laden herum: "In diesem Sommer, da war ich auf einmal auf weiter Flur alleine. Fast alle hier hatten in den Ferien für einige Zeit geschlossen." Viele gute Bekannte und Freunde, die in der Nachbarschaft ihr Geschäft hatten, seien mittlerweile längst im Ruhestand. Natürlich habe sich auch im Lauf der Jahre die Kundschaft geändert.

"Ich weiß bald nicht mehr, wo ich das alles hinhängen soll"

"Manche von den Jüngeren fragen jetzt natürlich nach Listen mit Allergenen oder Inhaltsstoffen. Schauen Sie sich mal um, ich wusste ja bald kaum mehr, wo ich das alles hinhängen soll", sagt die Chefin und deutet auf den kleinen Raum, in dem sie all die Jahre perfekt gewirtschaftet hat.

Zum guten Schluss lüftet Irmgard Zettner dann noch ein paar Geheimnisse. Zum Beispiel zeigt sie ihren "privaten Bereich". Der entpuppt sich als Haken hinter einem schmalen Schiebeelement: "Mehr gab’s nie, hat gerade gereicht für meinen Mantel und die Tasche."

Kunde Jung hat auch noch eine Frage: "Was passiert denn mit Ihrer großartigen Brotschneidemaschine?" Es handelt sich dabei um ein wirklich bemerkenswertes, relativ schmales Modell, weiß emailliert und angetrieben von einer Handkurbel. Zu haben ist das beinahe museumsreife Stück aber nicht mehr: "Das bekommt schon jemand", antwortet lachend die Rentnerin in spe, die vor Energie sprüht und keinen Moment den Eindruck erweckt, als sei sie ab jetzt im Ruhestand.

Endlich Zeit für Fürths schöne Hinterhöfe

Was wird sie denn als erstes mit ihrer freien Zeit anstellen? "Ich melde mich bei der nächsten Stadtführung an, weil ich endlich mal die schönen Hinterhöfe kennenlernen will, die ich bis jetzt bloß verrußt und verratzt kenne, so wie es früher halt war." Und dann hat sie noch das Rundfunkmuseum auf ihrer Liste und das Stadtmuseum und überhaupt. . .

Langweilig wird es Irmgard Zettner also bestimmt nicht.

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