Getöteter Obdachloser: Mordprozess beginnt

9.2.2017, 11:46 Uhr
Getöteter Obdachloser: Mordprozess beginnt

© Hans-Joachim Winckler

Es war eine grässliche Entdeckung: Am 7. März 2016 trieben sich zwei Jugendliche in einem leer stehenden Haus an der Ecke der Karolinenstraße und der Schwabacher Straße herum - in dem Sandsteingebäude nahe der Fürther Innenstadt schlüpfen immer wieder Obdachlose unter, nutzen es als Nachtquartier. Die Jugendlichen liefen in dem Haus herum, auf dem Dachboden stießen sie auf einen Leichnam - der Körper war furchbar zugerichtet. Auch deshalb konnte die Kriminalpolizei später die Identität des Mannes erst mit Hilfe der Rechtsmedizin, deren Obduktionsbericht und einem Zahnarzt klären: Über seinen Zahn-Status wurde Hermann U. identifiziert, unter dem Spitznamen "Tiger" zog der 58-jährige Obdachlose mit seiner Gitarre durch Nürnberg und Fürth.

Sie hätten Hermann U. beim Gitarre spielen erlebt, schildert Sebastian M. (30) fast ein Jahr später vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Mit seinem Kumpel Mitev I. (59) soll er Hermann U. totgeschlagen haben. Ankläger Roland Fleury wirft den beiden Männern vor, dass sie die Hände ihres Opfers mit einer Kordel fesselten, auf ihn einprügelten, bis seine Rippen in Serie brachen, ihn schließlich erwürgten. Ein brutaler Mord, begangen aus Habgier - so der Staatsanwalt.

Wann Hermann U. so grausam den Tod fand, konnte die Rechtsmedizin nicht klären. Als die Jugendlichen seinen Leichnam gefunden haben, war Hermann U. bereits ein bis zwei Wochen tot.

Man habe um Geld gestritten, gibt Sebastian M. vor Gericht zu. Anfang Januar seien er und Mitev I. von Dresden nach Nürnberg gekommen, sie lernten Hermann U. kennen, schenkten dem Musiker fünf Euro, luden ihn ein, in ihrem Unterschlupf zu nächtigen, spendierten ihm Alkohol. Nach einige Tagen soll es zum Streit gekommen sein, angeblich gab Hermann U. ein Darlehen in Höhe von 20 Euro nicht zurück.

Für den Angeklagten, der seinen Lebensunterhalt mit dem Sammeln weggeworfener Pfandflaschen und Getränkedosen bestritt, eine hohe Summe. Er habe Hermann U., so Sebastian M., mit Prügel gedroht. Als dieser drohte, die Polizei zu rufen, schlug er ihn zusammen, Mitev I. habe sich herausgehalten. Dann nahmen sie dem Musiker die Gitarre und sein Handy weg und reisten nach Düsseldorf. Die Gitarre hätten sie unterwegs für 25 Euro verscherbelt.

Wie die angeblich mittellosen Männer selbst ohne Geld und ohne Zugfahrkarte bis Düsseldorf gelangen konnten, bleibt rätselhaft. Im Zug seien sie nicht kontrolliert worden, sagt der Angeklagte - die Flucht nach Düsseldorf hätte er angetreten, um der Polizei zu entgehen, als Pole habe er Angst gehabt, wieder in seine Heimat geschickt zu werden.

Nur geschlagen

Dass er Hermann U. lebensgefährlich verletzt haben könnte, will er nicht einmal geahnt haben. Er habe ihn doch nur mit Händen und Füßen geschlagen, sagt er, wie sehr, wisse er nicht genau, er war betrunken.

Dass Hermann U. tot sei, will Sebastian M. erst bei seiner Festnahme erfahren haben, im Dezember 2016 schnappte ihn die Polizei in Sachsen-Anhalt. Seinen mutmaßlichen Komplizen Mitev I. bekam die Polizei bereits im April 2016 in Leipzig zu fassen - bis zu diesem Zeitpunkt zogen die beiden Obdachlosen gemeinsam durchs Land, suchten sich gemeinsam einen Platz zum Schlafen.

Dennoch will sich der 30-Jährige nicht groß gewundert haben, als der 57-Jährige im April eines Tages plötzlich nicht mehr auftauchte. Seine Erklärung: Kurz vorher sei er auch mit Mitev I. in Streit geraten, und weil er ihm einen Schlag verpasst habe, glaubte er, der andere sei deshalb beleidigt von dannen gezogen. Dass er unter Alkoholeinfluss aggressiv werde, wisse er, bestätigt der 30-Jährige, er habe auch schon früher einen Bekannten geschlagen. Mitev I. schweigt zu Prozessbeginn, er will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

Um den Tätern auf die Spur zu kommen, bildete die Kriminalpolizei Fürth die Ermittlungskommission "Villa" . Für den Prozess vor der Schwurgerichtskammer sind bisher fünf Verhandlungstage geplant.